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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige
Autoren: Oliver Pötzsch
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abrichten.«
    »So wie du es mit Parcival gemacht hast. Ja, das will ich!« Die kleine Marie strahlte. »Ich werde ihm gleich einen Namen geben.« Sie dachte angestrengt nach. »Galahad!«, rief sie schließlich. »Ich werde ihn Galahad nennen. Von dem hast du mir schon so viele Geschichten erzählt.«
    Agnes lachte. »Eine gute Wahl. Wobei ich nicht weiß, wie dieser kleine Vogel den Heiligen Gral tragen soll.«
    »O ja, erzähl mir vom Heiligen Gral!«
    »Bitte nicht vom Gral!«, stöhnte Agnes. »Diese Geschichte habe ich nun wirklich schon hundert Mal erzählt.«
    Martha Wielenbach verdrehte die Augen. »Ich sehe schon, die Sache ist entschieden, und ich werde hier nicht mehr gebraucht.« Sie klopfte sich die Tannennadeln aus der Schürze. »Dann werde ich mich mal daranmachen, den Stall auszu­fegen. Das wollte ich schon den ganzen Tag tun.«
    »Und ich mache mit dem Schmieden der Egge weiter«, sagte Mathis und stand von der Bank auf. »Sonst muss der gute Johann wirklich noch bis zur nächsten Frühsaat warten.«
    Er gab Agnes einen letzten Kuss und begab sich nach drinnen in die Werkstatt, wo schon bald wieder das monotone Geräusch des Schmiedehammers zu hören war. Als sich auch Martha Wielenbach entfernt hatte, setzte sich Marie neben Agnes. Behutsam streichelte die Zehnjährige den kleinen Falken.
    »Erzählst du mir jetzt eine Geschichte?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    Agnes zwinkerte. »Wenn es nicht der Heilige Gral oder der rote Ritter sein muss, meinetwegen. Also, welche willst du hören?«
    Einen Moment lang überlegte Marie, dann deutete sie plötzlich auf den goldenen Siegelring, den Agnes an ihrer rechten Hand trug. »Du hast einmal gesagt, hinter diesem Ring verbirgt sich eine große Geschichte«, schlug das Mädchen vor. »Erzähl mir davon!«
    Agnes zögerte, und ihr Gesicht verdüsterte sich kurz. Doch dann nahm sie den Ring vom Finger und sah ihn nachdenklich an. Sie fuhr die Konturen des bärtigen Gesichts nach, das darin eingraviert war. Dieser Ring war das Letzte, was sie mit ihrem alten Leben verband. Mit dem Trifels, ihrem verstorbenen Vater, mit Parcival … Sie hatte sich nicht von ihm trennen können. Schweigend hielt Agnes das Schmuckstück in die Sonne, dass es funkelte.
    »Nun, warum nicht«, sagte sie schließlich.
    Sie sammelte sich ein wenig, dann hob sie mit dunkler, beschwörender Stimme an, so wie sie es einst von Pater Tristan gelernt hatte.
    »Dieser Ring ist der Ring eines mächtigen Kaisers. Sein Name war Barbarossa. Er schläft in einem Berg, und sein roter Bart wächst und wächst. Alle hundert Jahre schickt der Kaiser einen Zwerg nach draußen, der nachschauen soll, ob die Raben noch um den Berg fliegen …«
    Leise begann Agnes zu erzählen, und Marie hörte mit offenem Mund zu, während die Sonne langsam hinter die Wipfel der Bäume sank.
    Es war eine wunderbare Geschichte, und als die Nacht begann, war sie noch immer nicht zu Ende.

Nachwort
    Seit ich denken kann, liebe ich Burgen. Als kleiner Junge ist das noch verständlich, doch mittlerweile muss ich wohl von einem Tick sprechen. Auf unseren Reisen nach Italien zahle ich meinen Kindern pro gezählte Burg ein Gummibärchen, Ferien werden mit Burgwanderungen gespickt, und demnächst werden wir einen Burghotelurlaub in Schottland antreten. All das führt dazu, dass meine Familie beim Thema Burgen etwas … nun, sagen wir, zurückhaltend geworden ist. Schade, demnächst werde ich wohl allein in den Urlaub fahren müssen.
    Ich habe lange überlegt, warum diese meist verfallenen Gebäude auf mich so eine Anziehungskraft ausüben. Vermutlich bin ich ein hoffnungsloser Romantiker. Eine Burg­ruine ist für mich wie ein Gemälde Caspar David Friedrichs – es erzählt Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit. ­Als Kind konnte ich stundenlang in solchen verfallenen Gemäuern zubringen und mir ausmalen, was sich hier einst zugetragen hatte. Ich entdeckte Geheimgänge, Schatzkammern und finstere Kerker, ich hörte die Schreie der Belagerer, das Krachen des Rammbocks und das Zischen der Katapulte, ich roch Pech und Schwefel und den Rauch der Schmiedefeuer, auf denen legendäre Zauberschwerter geschmiedet wurden.
    Eine Burg ist ein Hort von Geschichten, wahren und erfundenen, und so ist auch der vorliegende Roman eine Mischung aus Fiktion und Wirklichkeit. Ausgedacht sind die meisten Figuren rund um den Trifels und die von ihnen erlebten Abenteuer. Vermutlich wurde die ehemalige Reichsburg bereits ab 1509 von Neukastell
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