Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
Angele­gen­heit wichtig genug, einen eigenen Agenten in die Pfalz zu schicken. Wie man hört, starb er letzten Sommer bei einem grausigen Massaker im Speyerer Dom.«
    »Gut, dass Ihr es ansprecht. Ich wollte Euch ohnehin fragen, ob Ihr etwas damit zu tun hattet«, erwiderte Karl beiläufig.
    Der deutsche Kaiser verzog bei seiner Frage keine Miene. Er hätte sich denken können, dass die Franzosen vom Tod seines Agenten Wind bekommen hatten. Dieser Melchior von Tanningen war ihm von Kanzler Gattinara persönlich empfohlen worden. Sie hatten ihn auf einer Burg nahe dem Trifels als Barden eingeschleust, doch auch nach einem Jahr hatte der Mann keinen Erfolg vermelden können. Dieses Staufermädchen schien wirklich nur eine Legende zu sein, jedenfalls gab es bis heute keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie noch lebte.
    Blieb allerdings die Frage, was Melchior von Tanningen mit drei Landsknechten und einem vom Dach gestürzten Grafen im Speyerer Dom getrieben hatte. Einige der Gräber in der Kaisergruft waren aufs schändlichste zerstört worden! Hatte der Agent etwa geglaubt, die Knochen der Staufernachfahrin dort im Dom zu finden? Karl biss sich auf die Lippen und unterdrückte einen Fluch. Er würde es wohl nie erfahren. Es hatte jedenfalls Gattinaras ganzes diplomatisches Geschick – und einen Haufen Geld aus der Staatskasse – erfordert, den Grabfrevel unter den Teppich zu kehren.
    »Ob ich mit der Speyerer Angelegenheit etwas zu tun hatte? Wie darf ich das verstehen?« Franz beobachtete den Kaiser wie einen Gegner beim Schach.
    Wir umkreisen uns wie zwei alte Löwen , dachte Karl. Keiner will den ersten Sprung tun.
    »Ich gebe Euch mein Ehrenwort als König Frankreichs, dass ich mit dieser Grabschändung nicht das Geringste zu schaffen hatte«, fuhr Franz schließlich fort. »Was allerdings Eure Frage nach der Stauferin angeht …« Er lächelte und machte eine Pause. »Wer weiß, vielleicht haben wir sie ja doch noch gefunden?«
    »Ihr vergesst, dass Ihr mir Euer Ehrenwort gegeben habt, meine Schwester Eleonore zu ehelichen«, sagte der Kaiser kühl. »Überhaupt sollten wir diese alten Geschichten nun besser ruhen lassen.«
    Franz nickte. »In der Tat. Wie man hört, habt Ihr ganz andere Sorgen. Die Lutheraner breiten sich im Reich immer mehr aus, und dann diese Bauernerhebungen …«
    »Sind endgültig niedergeschlagen. Und mit diesem Luther werden wir auch noch fertig. Dafür sorgt schon mein Bruder Ferdinand, der als mein Stellvertreter im Reich sämtliche Vollmachten hat. Zerbrecht Euch also nicht meinen Kopf.« Der Kaiser blickte auf. »Ach, ich sehe, das Boot legt am Ponton an. Es ist wohl leider Zeit, sich zu verabschieden.«
    Ein schmaler, mit einem Baldachin überspannter Kahn machte an der Holzinsel in der Mitte des Flusses fest. Darin saßen neben einigen höheren Offizieren Franz’ Söhne François und Henri. Aus der Entfernung wirkten die beiden Knaben zwischen den großen Männern wie zwei zierliche Puppen. Als Geiseln der Habsburger würden sie nun statt ihres Vaters den goldenen spanischen Käfig betreten.
    »Eure Majestät, es war mir eine Freude.« Karl hielt Franz die Hand mit dem kaiserlichen Siegelring entgegen. Doch anstatt niederzuknien, verbeugte sich der französische König nur leicht.
    »Achtet gut auf meine Söhne«, sagte er leise. »Krümmt ihnen ein Haar, und Europa steht in Flammen.«
    »Ihr droht mir?«, fragte der Kaiser erstaunt.
    »Drohungen sind unter meiner Würde. Ich gebe Euch nur Ratschläge. Au revoir .«
    Ohne ein weiteres Wort wandte Franz sich ab und ging auf das Ufer zu, wo eine mit Blattgold verzierte Barke wartete und ihn schließlich mit einigen Ruderschlägen zum Ponton übersetzte. Karl beobachtete, wie Franz seine Söhne lange an sich drückte und ihnen einen Kuss auf die Stirn gab. Dann stieg er ohne einen weiteren Abschiedsgruß zu den Soldaten in das zweite Boot, das zum gegenüberliegenden Ufer steuerte. Nur ein paar Augenblicke später schob sich eine Nebelbank über den Fluss, und die Gestalt des französischen Königs löste sich nach und nach im Dunst auf. Das Letzte, was Karl von ihm sah, war sein stolz erhobener Kopf, der nach Frankreich blickte.
    Dann war Franz verschwunden.
    Unten am spanischen Ufer legte derweil die Barke mit den beiden Prinzen an. Der achtjährige François zeigte die gefasste Miene eines Thronfolgers, doch sein um ein Jahr jün­gerer Bruder brach immer wieder in Schluchzen aus und musste von einer Amme getröstet werden. Eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher