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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige
Autoren: Oliver Pötzsch
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Übliche. Manchmal sehe ich noch die Toten auf den Schlachtfeldern. Sie heben ihre Arme und flehen mich an, doch ich kann ihnen nicht helfen.« Sie seufzte. »Wenigstens lässt mich Constanza jetzt in Ruhe, und der Trifels ruft mich auch nicht mehr.«
    Mathis lächelte. »Er hat wohl keine Hoffnung mehr, dass du noch als Nachfahrin der Staufer bei ihm einziehst.«
    »Es sieht fast danach aus.« Plötzlich spürte Agnes, wie eine dumpfe Traurigkeit in ihr aufstieg. Die Burg war ihr Zuhause gewesen, die Burg und die Geschichten, die durch ihre Gemäuer geisterten. Nun waren diese Geschichten Vergangenheit. Ein neues Leben hatte begonnen, aber manchmal klopfte das alte noch bei Agnes an.
    »Wie geht es unserem kleinen Kaiser?«, erkundigte sich Mathis, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Er streichelte ihren Bauch, der in den letzten Monaten sichtlich runder geworden war.
    »Wieso nicht Kaiserin?« Agnes wischte ihre dunklen Gedanken fort und lächelte. »Wer gibt euch Männern eigentlich das Recht, immer einen männlichen Thronfolger zu fordern, hm?«
    Mathis zwinkerte sie an. »Na, wer soll denn sonst den Schmiedehammer schwingen, wenn ich einmal alt und tattrig bin? Außerdem wünsche ich mir noch viele Kinder. Da dürfen ruhig auch ein paar Töchter dabei sein.« Er legte den Kopf schief. »Na gut, vielleicht eine.«
    Agnes schlug ihm lachend gegen die breite Brust. Sie hatten im Frühjahr geheiratet, als sich die frohe Botschaft beim besten Willen nicht mehr länger verheimlichen ließ. Glück­licherweise war der hiesige Vogt ein freundlicher alter Mann, der sofort seine Erlaubnis erteilt hatte. Mathis hatte ihm dafür ein paar besonders schöne Zimmermannsnägel und Hufeisen geschmiedet.
    Die Hochzeit selbst war ein rauschendes Dorffest geworden, und das, obwohl sie nur ein kleines Fass Wein, ein paar Laibe Brot und Käse und einen vom Vogt gestifteten Schinken gehabt hatten. Doch die Menschen waren nach all dem Grauen und dem Sterben so froh um jede Abwechslung, dass eine einfache Fiedel und ein Tamburin schon ausreichten, sie im neuen Wirtshaus auf den Tischen tanzen zu lassen.
    »Tante Agnes, Tante Agnes!«
    Vom Waldrand her waren aufgeregte Schreie zu hören. Agnes blickte auf und sah die kleine Marie über die Felder auf sie zueilen. Dicht hinter ihr folgte Mathis’ alte Mutter Martha Wielenbach, die verzweifelt versuchte, das Kind davon abzuhalten, die Gerstenähren niederzutrampeln. Doch Marie war viel zu aufgeregt, um auf ihre Mutter zu hören. Endlich kamen die beiden schwer atmend an der Schmiede an.
    »Ich hab ihr schon dutzendmal gesagt, sie soll nicht über die Felder laufen!«, keuchte Martha Wielenbach. »Aber sie ist wie ihr großer Bruder. Sie will einfach nicht hören.«
    Mathis hob drohend den Finger, doch er grinste. »Marie, ich warne dich! Hör auf deine Mutter. Sonst darfst du deinen kleinen Neffen später mal nicht wickeln.«
    »Oder deine kleine Nichte, Himmelherrgott!« Agnes schüt­telte lachend den Kopf. »Hast du Sturschädel es immer noch nicht begriffen?«
    Die kleine Marie und Mathis’ Mutter hatten nach ihrer Flucht vom Trifels zunächst eine Weile bei einer entfernten Base in der Nähe von Annweiler gelebt. Doch vor einigen Monaten hatte Mathis ihnen eine Botschaft zukommen lassen und sie gebeten, zu ihnen zu ziehen. Seitdem waren sie eine kleine Familie.
    Eine Familie, die bald größer wird , dachte Agnes, und ein warmes Gefühl durchströmte ihren Bauch.
    »Tante Agnes, nun schau doch endlich!«
    Aufgeregt hielt ihr Marie ihre beiden Hände entgegen, die sie zu einer Schale geformt hatte. Darin saß ein kleines Vögelchen, das wütend tschilpte. Mit seinem weichen weißen Gefieder sah es aus wie ein Wollknäuel mit Schnabel.
    »Das ist ein Falke!«, rief Agnes erstaunt aus. »Ich glaube sogar, ein Sakerfalke. Wo hast du denn den gefunden?«
    Marie deutete nach hinten. »Drüben im Wald in der ausgebrannten Klosterruine. Er ist wohl aus dem Nest gefallen.« Flehentlich sah sie Agnes an. »Darf ich ihn behalten? Bitte! Mutter meint, ich soll dich fragen.«
    »Mich?« Agnes runzelte die Stirn. Noch immer fiel es Martha Wielenbach schwer, Agnes nicht mehr als Trifelser Vogts­tochter und Gräfin zu betrachten, sondern schlicht als Gattin ihres Sohnes. Doch in diesem Fall erteilte sie gerne die Er­laubnis.
    »Wenn du dich gut um ihn kümmerst. Warum nicht?« Lächelnd strich sie dem ängstlichen Vogel über das weiche Gefieder. »Vielleicht kannst du ihn später einmal
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