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0948 - Der Hort der Sha'ktanar

0948 - Der Hort der Sha'ktanar

Titel: 0948 - Der Hort der Sha'ktanar
Autoren: Oliver Fröhlich
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Nahe Vergangenheit
    Das Bier in Joachim Steigners Hand nahm langsam Körpertemperatur an. Mit der nur um wenige Schlucke geleerten Flasche stand er bereits seit einer halben Stunde im Wohnzimmer seines Häuschens und betrachtete das Foto auf der Kommode.
    Es zeigte Renate und Andreas vor über zwanzig Jahren. Im typischen Look der Achtziger. Sie lagen sich in den Armen, prosteten mit einer Flasche Mumm-Sekt dem fotografierenden Jo zu und strahlten von einem Ohr zum anderen.
    Sie befanden sich inmitten einer Blechlawine - oder sollte man Papplawine sagen? - aus überwiegend Trabbis und vereinzelten Wartburgs, die seit Stunden die wichtigsten Straßen in der grenznahen Kleinstadt Hof verstopften. In den Gesichtern der Menschen im Hintergrund lag die Erwartung, dass nun - nach der Grenzöffnung - alles anders, alles besser werden würde.
    Tatsächlich hatte sich nach diesem Tag auch für ihn viel verändert. Aber nicht zum Besseren. Gedankenverloren strich er sich über den rechten Unterarm, den Tribal-Tattoos vom Handgelenk bis fast zum Ellbogen überzogen. Er konnte einfach nicht den Blick von Renate lösen - von ihrem blondgelockten schulterlangen Haar, ihren schwarzen Augenbrauen und dem alles überstrahlenden Lachen.
    Er nahm einen Schluck, dann knallte er die Flasche so heftig auf den Tisch, dass eine Schaumwolke aus dem Flaschenhals quoll.
    Sie rann am Glas herab und sickerte in das Deckchen.
    So wie nun die Erinnerungen an jenen schrecklichen Juni des Jahres 1990 in sein Bewusstsein sickerten. An den Tag nur sieben Monate nach Entstehung des Fotos, an dem sein Leben in Scherben brach.
    ***
    Wie die meisten seiner Landsleute freute sich auch Jo Steigner noch immer über die geöffneten Grenzen. Allerdings nicht aus dem gleichen Grund wie wohl jeder andere Deutsche.
    Steigner war Dämonenjäger. Vampirkiller. Eine Art van Helsing aus Oberfranken. Leider aber einer, der in seinen Möglichkeiten sehr beschränkt war. Denn im Gegensatz zu den Kreaturen, die zu vernichten er geschworen hatte, war für ihn am Schlagbaum Schluss. Wie oft waren ihm Dämonen entkommen, weil sie sich in die DDR oder die Tschechoslowakei geflüchtet hatten, wohin Jo sie gar nicht oder nur mühsam hätte verfolgen können?
    Schließlich konnte er die Grenzposten schlecht darum bitten, ihn für eine kleine Werwolf- oder Vampirjagd ins deutsche demokratische Bruderland einreisen zu lassen. Dazu hätte er über weitreichende Verbindungen verfügen müssen, die er aber nicht besaß. Er war kein Dämonen jagender Superagent im Dienste geheimnisvoller, aber mächtiger Organisationen - wenn es so etwas denn überhaupt gab -, sondern ein in einem Kurheim angestellter Physiotherapeut, der mit der großen Politik etwa so viel zu tun hatte wie eine Kuh mit Raumfahrt.
    Damals, Mitte der Siebziger, als er nicht nur seine Schwester, sondern auch seinen Glauben in eine intakte Welt ohne übersinnliche Phänomene an einen widerlichen Dämon verloren hatte, war er auf den kleinen hageren Mann mit der Geiernase getroffen. Von ihm hatte er neben dem Armband mit den Tätowierungen auch noch den Rat erhalten, im Verborgenen zu arbeiten.
    Bis heute hatte er den Mann nicht mehr wiedergesehen oder wusste gar dessen Namen. Dennoch hatte Jo sich all die Jahre an den Rat gehalten. Schon alleine deshalb, weil er fürchtete, bei einem Kollegen mit einer ähnlichen Buchstabenfolge in der Berufsbezeichnung eingeliefert zu werden, wenn der seine »Nebentätigkeit«, öffentlich machte.
    Und so war für ihn als Privatmann an der Grenze stets Schluss mit der Jagd gewesen. Derlei Beschränkungen existierten nun nicht mehr - genauso wie einige Vampire. Der von den Scorpions besungene »Wind of change«, hatte sie bis in den Osten verfolgt und sie mit Hilfe von Steigners Pflock aus guter fränkischer Eiche zu einem Häufchen Staub verweht.
    Der Gegner, mit dem er es im Augenblick zu tun hatte, würde es ihm jedoch nicht so leicht machen. Sein Name lautete Njhugjr. Ein widerliches Geschöpf, das Schwangeren die Babys aus dem Leib stahl. Jo mochte sich lieber nicht vorstellen, was der Unhold mit ihnen anstellte. Er hoffte nur, dass sie nicht leiden mussten.
    Dreimal bereits hatte er Njhugjr beinahe erwischt. Oder negativer ausgedrückt: Dreimal war ihm der Dämon entkommen. Einmal sogar nur, indem er sein bewusstloses Opfer in die Saale warf. Steigner, vor die Wahl gestellt, ob er den Höllischen jagen oder die Frau vor dem Ertrinken retten sollte, hatte sich für das Leben der
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