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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen
Autoren: Michael Peinkofer
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konnten.
    Instinktiv umschloss Quentin Marys Hand. Sie schmiegte sich an ihn, und Sir Walter breitete schützend seine Arme über sie, wie ein Vater, der seine Kinder vor Schaden behüten wollte. So hätten sie wohl ein grausames Ende gefunden – wäre nicht in diesem Augenblick der Hufschlag nahender Pferde erklungen.
    Erneut schien der Steinkreis zu erbeben, als aus dem Dunkel der Nacht schnaubende Rösser heransprengten, auf denen Männer in weiten Kapuzenmänteln saßen. Sie schwenkten lange Holzstöcke und gingen sofort zum Angriff über.
    »Die Mönche von Kelso«, entfuhr es Sir Walter. »Wir sind gerettet!«
    Im Nu entbrannte ein heftiges Gefecht zwischen den Mönchen und den Sektierern, ungleich erbitterter als jenes in den Gassen von Edinburgh. Die Schlacht zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis, auf die sich die Mönche jahrhundertelang vorbereitet hatten, wurde endlich geschlagen. Kampflärm war ringsum zu hören, hier und dort peitschte ein Schuss durch die Nacht, mitunter quittiert vom Schrei eines Getroffenen. Fackeln erloschen, und im rötlichen Zwielicht des zurückkehrenden Mondes huschten Gestalten in weiten Gewändern durch die Nacht und lieferten einander erbitterte Duelle.
    Wie viele es waren, die dort im Halbdunkel fochten, war nicht festzustellen. Schließlich aber gewannen die Mönche von Kelso die Oberhand. Die meisten der Sektierer fielen den Schlagstöcken der wackeren Ordensmänner zum Opfer; andere ergriffen die Flucht, worauf die Mönche ihnen nachstellten, und wieder andere streckten die Waffen.
    Ein Schatten trat aus dem Halbdunkel und gesellte sich zu Sir Walter, Quentin und Mary, die das grausige Schauspiel atemlos verfolgt hatten. Er trug die weite Kutte des Mönchsordens, und als er seine Kapuze zurückschlug, erkannten Quentin und Sir Walter, dass es Bruder Patrick war, Abt Andrews Stellvertreter und rechte Hand.
    »Sind Sie unversehrt?«, wollte er wissen.
    »Zum Glück ja«, antwortete Sir Walter. »Doch wenn Sie und Ihre Mitbrüder nicht rechtzeitig eingetroffen wären …«
    »Ich bedauere sehr, dass wir so spät gekommen sind. Aber nachdem wir erfahren hatten, was in Edinburgh geschehen war, brauchte es eine Weile, bis wir herausfanden, an welchem Steinkreis sich die Bruderschaft treffen wollte.«
    »Dann wissen Sie, was mit Abt Andrew geschehen ist?«
    Patrick nickte. »Er starb für das, woran er glaubte. Es war immer seine Überzeugung, dass wir uns eines Tages dem Bösen würden stellen müssen – und er behielt Recht. Nun aber ist die Gefahr gebannt.«
    Quentin hatte den Opfertisch umrundet und sich nach dem Runenschwert gebückt. Ein seltsames Gefühl durchströmte ihn, als er danach fasste. Staunend betrachtete er die Edelsteine, die so unversehens zum Vorschein gekommen waren. Dann reichte er die Waffe an seinen Onkel weiter, der sie wiederum Bruder Patrick übergab.
    »Hier«, sagte er. »Dies ist die Klinge, um derentwegen so viel Leid geschehen ist. Nehmen Sie sie in Verwahrung und sorgen Sie dafür, dass sie niemals wieder solchen Schaden anrichten kann.«
    »Nein, Sir Walter!« Der Mönch hob abwehrend die Hände. »Wie könnte ich mir anmaßen, diese Waffe verstecken zu wollen? Andere haben es versucht, die klüger und mächtiger waren als ich, und alle sind sie gescheitert. Das Schwert kann nicht verborgen werden. Es scheint, als wäre es von einem eigenen Willen beseelt, der es immer wieder zurückkehren lässt.«
    »Dann zerstören Sie es eben.«
    »Das ist nicht nötig. Denn nicht das Schwert ist böse, sondern das, was die Menschen daraus gemacht haben. Einst war es ein Symbol, Sir Walter, ein Symbol für Schottlands Einheit und Freiheit, und das sollte es auch wieder werden. Bringen Sie es zurück nach Edinburgh, und übergeben Sie es den Regierungsvertretern. Sie werden wissen, was damit geschehen sollte.«
    Sir Walter überlegte kurz, dann nickte er.
    »Vielleicht haben Sie Recht. Wir werden behaupten, das Schwert zu einer anderen Zeit und unter anderen Umständen gefunden zu haben. In Anbetracht der politischen Brisanz wird es nicht schwierig sein, einen glaubwürdigen Zeugen zu finden, der bereit ist, diese Version der Geschichte zu beschwören. Darüber, was am Kreis der Steine geschehen ist, werde ich kein Wort verlieren.«
    »So ist es recht.« Bruder Patrick nickte. »Die Bruderschaft der Runen ist zerschlagen, die Gefahr ist gebannt. Nach so vielen Jahrhunderten findet dieses Land nun endlich Frieden.«

16.
    Leith, Edinburgh
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