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Feuermale

Feuermale

Titel: Feuermale
Autoren: Tami Hoag
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KAPITEL 1
    Manche Menschen werden als Mörder geboren. Manche Menschen werden zu Mördern gemacht. Und manchmal
    verlieren sich die Hintergründe für den Wunsch zu töten im Gewirr jener Wurzeln, aus denen eine häßliche Kindheit und eine gefährliche Jugend erwuchsen, so daß vielleicht nie jemand erfährt, ob der Drang angeboren war oder irgendwann geweckt wurde.
    Er hebt die Leiche aus dem Kofferraum wie eine alte Rolle Teppich für den Müll. Die Sohlen seiner Stiefel schlurfen über den Teer des Parkplatzes, verstummen dann auf dem toten Gras und der harten Erde. Für November in Minneapolis ist es eine milde Nacht. Eine wirbelnde Windbö wirft Laub durcheinander. Die kahlen Äste der Bäume klappern wie Säcke voller Knochen gegeneinander.
    Er weiß, daß er unter die dritte Kategorie von Mördern fällt. Er hat viele Stunden, Tage, ja Monate mit dem Studium seines Zwangs und dessen Ursprung zugebracht.
    Er weiß, was er ist, und fügt sich in diese Wahrheit. Er kennt weder Schuldgefühle noch Reue. Er ist überzeugt, daß Gewissen, Regeln, Gesetze für den einzelnen keinen praktischen Sinn haben und lediglich die menschlichen Möglichkeiten einschränken.
    »Der Mensch betritt durch Angst und nicht durch Liebe die ethische Welt. « (Paul Ricoeur, Symbolik des Bösen) Sein wahres Ich unterwirft sich nur einem Kodex: dominieren, manipulieren, kontrollieren.
    Eine Scherbe von Mond bestrahlt die Szene, ein schwaches Leuchten, das die Szenerie durchsickert. Er arrangiert die Leiche zu seiner Zufriedenheit und tastet nach den beiden sich überschneidenden X über der linken Brust.
    Mit Sinn für die Zeremonie gießt er die Brennflüssigkeit aus. Die Toten salben. Symbolik des Bösen. Sein wahres Ich sieht den Begriff des Bösen als Macht. Brennstoff für das innere Feuer.
    »Asche zu Asche.«
    Die Geräusche sind geordnet und deutlich, verstärkt von seiner Erregung. Das Kratzen des Streichholzes auf der Reibefläche, das Popp, mit dem es entflammt, das Zischen des Feuers, als es zum Leben erwacht und verzehrt. Und während das Feuer brennt, läßt er im Geist noch einmal den Klang von Schmerz und Angst aufleben. Er erinnert sich an das Zittern ihrer Stimme, als sie um ihr Leben bettelte, den einmaligen Tonfall und die Beschaffenheit jedes einzelnen Schreis, während er sie folterte. Einen Augenblick lang gestattet er es sich, die Dramatik des Szenarios zu genießen. Er gestattet es sich zu fühlen, wie die Hitze der Flammen sein Gesicht mit Zungen der Leidenschaft liebkost. Er schließt die Augen und lauscht dem Prasseln und Zischen, atmet tief den Geruch brennenden Fleisches ein.
    Begeistert und erregt, nimmt er seine Erektion in die Hand. Er treibt sich fast bis zum Höhepunkt, achtet aber darauf, nicht zu kommen. Hebt es für später auf, wenn er richtig feiern kann.
    Sein Ziel ist in Sichtweite. Er hat einen Plan, akribisch durchdacht, der mit Perfektion ausgeführt werden muß.
    Sein Name wird weiterleben, berüchtigt, mit all den Großen – Bundy, Kemper, dem Würger von Boston, dem Green-River-Killer. Die Presse hier hat ihm auch schon einen Namen gegeben: der Feuerbestatter.
    Das bringt ihn zum Lächeln. Das macht ihn stolz. Er zündet ein weiteres Streichholz an, hält es sich direkt vors Gesicht, studiert die Flamme, liebt ihre sinnliche, schlangengleiche Bewegung. Er hält sie noch näher an sein Gesicht, öffnet den Mund und verschlingt sie.
    Dann wendet er sich ab und geht weg. Er denkt bereits an das nächste Mal.

    MORD.
    Der Anblick brannte sich tief in ihre Erinnerung ein, in die Tiefen ihrer Augäpfel, so daß sie es sehen konnte, während sie gegen die Tränen anblinzelte. Der Körper, der sich in langsamer Agonie gegen sein gräßliches Schicksal windet. Orangefarbene Flammen zeichnen einen Hintergrund für das Alptraumbild.
    Brennen.
    Sie rannte, mit brennender Lunge, brennenden Beinen, brennenden Augen, brennender Kehle. In einem abstrakten Winkel ihres Verstandes war sie die Leiche. Vielleicht sah der Tod so aus. Vielleicht war es ihr Körper, der brannte, und dieses Bewußtsein war ihre Seele, die versuchte, den Höllenfeuern zu entrinnen. Sie hatte es immer wieder gehört, daß sie darin unweigerlich enden würde.
    Nicht allzuweit entfernt konnte sie eine Sirene hören und sehen, wie sich das seltsame Blitzen roter und blauer Lichter gegen die Nacht abzeichnete.
    Sie rannte in Richtung Straße, schluchzend, stolpernd.
    Ihr rechtes Knie schlug auf den gefrorenen Boden auf, aber sie zwang
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