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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen
Autoren: Michael Peinkofer
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die sich um die Verwundeten kümmerten.
    Kalas Kehle entrang sich ein mürrischer Laut.
    Mönche. Die Vertreter der neuen Ordnung.
    Sie wurden immer zahlreicher in diesen Tagen, überall sprossen Klöster wie Pilze aus dem Boden. Längst hatte der neue Glaube den alten abgelöst, hatte sich als stärker und mächtiger erwiesen. Manches Althergebrachte wurde von den Vertretern der neuen Ordnung fortgeführt. Anderes, was über Generationen hinweg bewahrt worden war, drohte in Vergessenheit zu geraten.
    So wie an diesem Tag.
    Keiner der Mönche wusste, was sich wirklich auf dem Schlachtfeld von Bannockburn zugetragen hatte. Sie sahen nur das Offensichtliche. Das, woran sich die Geschichte erinnern würde.
    Langsam schritt die alte Frau über das von Leichen übersäte Feld, dessen Boden von Blut getränkt war. Verstümmelte Leiber und abgetrennte Gliedmaßen säumten ihren Weg, herrenlose Schwerter und Teile von Rüstungen, die mit Blut und Dreck besudelt waren. Krähen, die sich an den Gefallenen gütlich taten, flatterten kreischend auf, als sie sich ihnen näherte.
    Kala sah es mit Gleichmut.
    Sie hatte zu lange gelebt und zu viel gesehen, um noch ehrliches Entsetzen zu empfinden. Sie war Zeuge gewesen, wie ihre Heimat von den Engländern unterworfen und grausam unterjocht worden war, hatte den Untergang ihrer Welt erlebt. Blut und Krieg waren die ständigen Begleiter in ihrem Leben gewesen, und tief in ihrem Innern empfand sie einen stillen Triumph darüber, dass die Engländer so vernichtend geschlagen worden waren. Auch wenn der Preis dafür hoch gewesen war. Höher, als einer der Mönche oder irgendjemand sonst unter den Sterblichen es ahnte.
    Die alte Frau erreichte das Zentrum des Schlachtfelds. Dort, wo der erbitterteste Kampf getobt und König Robert zusammen mit den Clans des Westens und ihrem Anführer Angus Og die Hauptlast des Angriffs getragen hatte, häuften sich die Körper der Erschlagenen noch dichter als anderswo. Mit Pfeilen gespickte Leichen übersäten den Boden, und hier und dort wälzten sich noch Verwundete, die das zweifelhafte Glück gehabt hatten, einem gnadenvollen Tod zu entgehen – bisher.
    Die alte Kala schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit. Sie war nur aus einem einzigen Grund gekommen: um sich mit eigenen Augen zu vergewissern, ob sich bewahrheitet hatte, was die Runen ihr erzählt hatten.
    Mit einer energischen Geste strich sie das schlohweiße Haar beiseite, das der kühle Wind ihr immer wieder ins Gesicht wehte. Ihre Augen, die den Jahren zum Trotz nichts von ihrer Schärfe eingebüßt hatten, blickten dorthin, wo Robert the Bruce gestanden hatte.
    Dort lagen keine Erschlagenen.
    Wie das Auge eines Sturms, in dem sich kein Lufthauch regte, war jener Boden, auf dem der König selbst gefochten hatte, unberührt geblieben. Kein Leichnam lag innerhalb des Kreises, den der König verteidigt hatte, gerade so, als hätte Bruce während der Schlacht hinter einer unsichtbaren Mauer gestanden.
    Die alte Kala kannte den Grund dafür. Sie wusste von dem Pakt, der geschlossen worden war, und von der Hoffnung, die sich daran knüpfte. Eine trügerische Hoffnung, die noch einmal die Geister der alten Zeit heraufbeschwor.
    In der hereinbrechenden Dunkelheit erreichte die alte Frau die freie Fläche und betrat den Kreis, den keines Feindes Fuß berührt hatte. Dort sah sie es.
    Die Runen hatten nicht gelogen.
    Das Schwert des Bruce, jene Klinge, mit welcher der König die Schlacht gegen die Engländer gefochten und sie geschlagen hatte, war auf dem Feld zurückgeblieben.
    Herrenlos steckte es in der Mitte des Kreises im weichen Morast, der sich bereits anschickte, es zu verschlingen. Matt ließ das letzte Licht des Tages das Zeichen schimmern, das in die flache Schneide des Schwertes gearbeitet war, ein Zeichen aus alter, heidnischer Zeit und von großer zerstörerischer Kraft.
    »Er hat es getan«, murmelte Kala leise und empfand Erleichterung dabei. Die Last, die sie in den letzten Monaten und Jahren mit sich herumgetragen hatte, fiel von ihr ab.
    Für kurze Zeit mochte es den Anhängern der alten Ordnung gelungen sein, den König auf ihre Seite zu ziehen. Sie waren es, die Robert den Sieg auf dem Schlachtfeld von Bannockburn ermöglicht hatten. Aber am Ende hatte er sich von ihnen abgewandt.
    »Er hat das Schwert zurückgelassen«, sagte das Runenweib leise. »Damit ist es entschieden. Das Opfer war nicht umsonst.«
    Mochten der König und die seinen am Ende dieses Tages feiern und die Früchte
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