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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin
Autoren: Regine Kölpin
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Mai 1545
Herrlichkeit Gödens – Ostfriesland
    Das Donnern der Hufe kam näher. Der Klang trieb sich drohend in den beginnenden Morgen und ließ das Herz der Hebamme Hiske Aalken schneller schlagen.
    Sie befand sich in der Gegend um Schortens, hatte am Nachmittag zuvor die Stadtmauern von Jever verlassen. Nun war es dunkel, und auch wenn die Nacht bereits auf dem Rückzug war und sich am Horizont der erste Lichtstreif zeigte, fühlte sie sich nicht besonders wohl in ihrer Haut. Überall um sie herum knackte es, hin und wieder ertönte der Schrei einer Eule.
    Und nun gesellte sich dieser bedrohliche Hufschlag dazu. Hiske blickte sich um, nur wenige niedrige Büsche boten hier Schutz. Über den Wiesen verharrten Nebelschwaden, die die Nacht wie mit Schleiern schmückten und die Szenerie gespenstisch erscheinen ließen.
    Hiske vermutete, dass es Reiter waren, die Fräulein Maria aus Jever losgeschickt hatte, weil man ihre Flucht aus der Stadt bemerkt hatte.
    Sie wandte sich um, suchte nach einem Versteck. Ein Stück voraus erkannte sie einen Busch mit ausladenden Zweigen. Es war die einzige Möglichkeit weit und breit, sich zu verbergen. Hiske lief ein wenig schneller, auch wenn sie schon sehr müde und jeder Schritt eine Qual war. Es konnte nicht mehr weit bis Schortens sein, doch auch dort war sie noch lange nicht in Sicherheit. Ihr Ziel war die Herrlichkeit Gödens, sie hoffte, dass es keine großflächigen Überschwemmungen mehr gab und die Wege nicht zu schlammig waren.
    Kaum hatte sie sich hinter dem Busch verschanzt, hörte sie das Schlagen der Schwertscheiden an den Stiefeln ihrer Verfolger, das sich mit dem Klappern der Hufe zu einem unheilvollen Geräusch vermischte. Die Männer zügelten die Rösser und bohrten ihre Augen in den Nebel. Hiske drückte sich ins Gras, dessen Nässe sich augenblicklich in ihre Kleider fraß und sie frösteln ließ. Sie wagte kaum zu atmen. Auf keinen Fall durften die Männer sie finden. Sie wollte nicht nach Jever zurück, das wäre ihr sicherer Tod. Sie wollte kein Feuer an ihrer Haut fühlen, nicht den Geruch einatmen müssen, der sich seit dem Tod ihrer Freundin in ihre Nase gepflanzt hatte.
    »War da nicht eben wer? Ich dachte, ich hätte jemanden gehört.«
    Der Reiter, ein Mann von dicklicher Gestalt, wandte den Kopf, stellte sich in den Bügeln auf und suchte den Horizont ab.
    »Und mir schien, ich hätte jemanden gesehen, ein Weib«, bestätigte der andere, dessen Stimme einem Bellen glich. »Sie könnte uns gehört und sich irgendwo versteckt haben.«
    Sein Kumpan ließ sich in den Sattel zurückfallen. »Wenn sie die ist, die wir suchen, und sie ist, was man ihr nachsagt, hat sie starke Verbündete. Alle dunklen Mächte sind auf ihrer Seite.«
    Hiske duckte sich immer mehr auf den Boden, fürchtete, dass allein ihr lauter Herzschlag sie verraten könne.
    »Mir ist nicht wohl«, schnaufte der Reiter mit der heiseren Stimme. »Sie ist eine Toversche, eine Hexe, und schon mal vom Teufel befreit worden. Gut, dass das Weib, das sich für sie verbürgt hat, längst in der Hölle schmort. Das wird den anderen eine Warnung sein.«
    Der Dicke grunzte. »Was ist, wenn wir sie jetzt fassen, und dann kommt ihr dieser Abkömmling von Ottern, Würmern und Kröten zu Hilfe geeilt? Hier ist keiner, der uns helfen könnte.« Er griff nach den Zügeln.
    »Wie recht du hast«, bekam er zur Antwort. »Lass uns verschwinden, es ist mir hier nicht geheuer. Und je länger ich darüber nachdenke, desto unheimlicher wird es.«
    Sie nickten sich kurz zu und wendeten die Pferde. Der aufgeweichte Boden spritzte unter den Hufen auf, als die beiden Reiter ein rasches Tempo anschlugen.
    Hiske verharrte noch eine Weile, bis das Hufgetrappel nicht mehr zu hören war. Sie tastete sich mit den Füßen auf den aufgeweichten Weg zurück, beschleunigte ihren Schritt und umrundete schon bald die Schortenser Kirche. Vor ihr lag das beschwerlichste Stück ihres Weges, das Silland. Der Winter war lang und hart gewesen, hatte bis vor Kurzem das gesamte Land dort in eine Eisfläche verwandelt. Nun war es vermutlich nass, vielleicht musste sie große Umwege gehen, um Dykhusen zu erreichen.
    Kaum hatte sie Schortens hinter sich gelassen, wurden die Wege auch schon schlechter, sie sank bis zum Knöchel ein, das Gehen war eine Tortur. Doch wie gering war dies alles gegen das, was sie in Jever erwartet hätte.
    Noch dazu schoben sich die Wolken immer wieder vor den Mond und nahmen ihr die Sicht. Sie war dankbar, dass
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