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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Brise überstäubte sie und die Blockhauswand mit Staub und feinem Sand. Sie blickte zu Jan, der auch barhäuptig war, und ihre Blicke begegneten sich. Plötzlich lächelte sie breit und fühlte von dort, wo es versteckt gelegen hatte, ein Lachen in sich aufspringen. Jan lächelte, das schöne, von Ironie ungefärbte Lächeln, das Mischa so lange nicht gesehen hatte. Die feinen Falten in seinen Augenwinkeln waren tiefer, und sein Bart ließ ihn älter erscheinen. Er war älter. Sie waren beide älter.
    »Gehen wir!«
     
    Zurückgelehnt in der Beschleunigungscouch, vergaß Mischa die Müdigkeit und ihren schmerzenden Körper und versuchte sich alles auf einmal einzuprägen. Jan lag auf der Couch neben ihr und hatte die Augen geschlossen. Auf einer dritten Couch lag Galathea, eingehüllt in eine Decke; sie litt noch unter Schmerzen und Benommenheit, doch war die Besserung abzusehen. Subzwei, das schmutzige Haar sorgfältig zurückgebunden, lag in der Umarmung des Navigationsrahmens, wo beinahe jeder Teil seines Körpers mit einem separaten Steuerungs- oder Überwachungssystem verbunden war. Das Schiff erbebte, als die Maschinen ansprangen. Die Beschleunigung setzte ein und preßte Mischa mit rapide zunehmendem Druck auf die Couch.
    Das Schiff tauchte in die brodelnden Wolken ein und begann auf einer zweiten Frequenz zu vibrieren. Mischa trieb das Schiff in Gedanken an, als wäre es ein lebendes Wesen, erlebte freudiges Entsetzen, als der Sturmwind sie stieß und beutelte, siegreiche Fröhlichkeit, als das Schiff aus der Wolkendecke ins Licht brach. Aber der Sturmwind wurde noch stärker, und zuweilen schien es ihr unmöglich, daß sie überleben würde, so unbarmherzig wurde das Schiff herumgeworfen. Durchgeschüttelt und in allen Fugen ächzend kroch das Schiff in die Stratosphäre, aber als es die Turbulenzen hinter sich ließ, war der Übergang um so wundersamer. Das plötzliche Aufhören des Orkans war wie Stille. Die Triebwerke donnerten. Mischa lachte laut heraus, wie berauscht. Als sie den Kopf zur Seite drehte, sah sie Jan mit fahl-grauem Gesicht und geschlossenen Augen liegen, und die Hände umklammerten mit weißen Knöcheln die Armlehnen seiner Couch.
    »Was ist los?«
    »Ich hatte einen Start erwartet, keine Fahrt mit der Achterbahn.«
    Sie hatte keine Ahnung, wovon er redete, wenn es auch offensichtlich war, daß er an der Qualität des Fluges etwas auszusetzen hatte.
    Subzwei befreite sich von den Anschlüssen der Instrumente. Auch er war blaß. »Die Winde waren sehr uneinheitlich«, sagte er entschuldigend, bevor er sich zu Galathea begab.
    »Mir hat es gefallen«, sagte Mischa.
    Jan lachte und schloß wieder die Augen.
    Und Mischa wußte nicht, was sie tun sollte. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie gehen sollte. In all der Zeit, die sie und Chris mit Gesprächen über das Verlassen des Zentrums und der Erde gesprochen hatten, war die auf ihre Flucht folgende Zeit ein verschwommenes, quälendes Geheimnis geblieben. Sie hatten über Möglichkeiten gesprochen und wie es in der Sphäre sein würde, wenn sie hinkämen, doch nun, da sie daran dachte, wurde ihr deutlich, daß sie es vermieden hatten, darüber zu sprechen, wie sie selbst sich in eine neue Gesellschaft einfügen könnten. Vielleicht hatten sie unbewußt gefühlt, daß sie dazu nicht fähig sein würden.
    »Was für Pläne hast du?«
    Sie erschrak: Nie zuvor hatte Subzwei das geringste Talent für einfühlsame Intuition gezeigt.
    »Ich weiß es noch nicht.«
    »Habt ihr ein Ziel?«
    »Ich ...« Sie wußte nicht, welches die nächste Sphärenwelt war, aber sie konnte danach fragen. Sie hatte sich im Zentrum durchgeschlagen, sie würde sich überall durchschlagen.
    »Wir wollen nach Koen«, sagte Jan. »Soll ich die Koordinaten heraussuchen?«
    »Ich weiß sie auswendig«, sagte Subzwei gekränkt.
    »Ist das wirklich Ihr Ziel, Jan? Sind Sie sicher?« Sie hatte soviel von ihm genommen, daß sie nicht noch mehr nehmen wollte.
    Vor allem wollte sie ihn nicht in eine weitere unangenehme Lage bringen.
    »Ja«, sagte er leise. »Ich bin mir dessen sicherer als der meisten Pläne, die ich seit langem hatte.«
    »Aber Ihr Vater ...«
    Er nickte mit geschlossenen Augen. »Genau. Mein Vater.« Es hörte sich zufrieden und selbstsicher an.
    »Also nach Koen«, sagte Mischa.
    »Wir müssen bis zum Startpunkt in der Umlaufbahn bleiben«, sagte Subzwei. »Wenn Sie wollen, können Sie vom Aussichtsraum noch einmal die Erde ansehen.«
    Hikaru schlug die Augen auf
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