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Vaclav und Lena

Vaclav und Lena

Titel: Vaclav und Lena
Autoren: Haley Tanner
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|9| Zusammen
    |11| Ohne Assistentin kein Zauberer
    »Also, ich prob, und dann probst du. Also. (
Räuspern
) Ich bin Vaclav der Großartige, am sechsten Mai geboren, einem berühmten Tag, den künftige Generationen freudig feiern werden, ein Tag, der in der Zukunft Weihnachten und Chanukka und Ramadan und alle heidnischen Feste in den Schatten stellen wird, in einem Land geboren, das weit, weit, weit, weit, weit, weit, weit weg von hier liegt, in einem Land mit uralten und großartigen Geheimnissen, einem Land mit magischem Wissen, welches von alters her, seit der Antike, weitergegeben worden ist, einem Land der Täuschungen (Russland!), geboren also in Russland und dann hier in Amerika erschienen, und zwar in New York, in Brooklyn (das ist ein Stadtbezirk) nahe bei Coney Island, einem berühmten Ort der Magie im großen Land der Möglichkeiten (damit meine ich natürlich Amerika), wo ein jeder alles werden kann, wo ein Landstreicher von heute schon morgen ein Geschäftsmann im Dreiteiler ist und wo einer, der noch gestern ein Geschäftsmann war, später am Nachmittag ein Landstreicher sein wird, Vaclav der Großartige, den man zweifellos bitten wird, seine imposanten Zauberkunststücke Grafen |12| und Präsidenten und Zaren und Ayatollahs darzubieten, und der sie alle in Ehrfurcht und Sprachlosigkeit vereinen und so eines schönen Tages eine neue Ära (das ist ein Zeitraum) des Friedens auf Erden einläuten wird. Meine Damen und Herren. Ich übergebe Ihnen, ich präsentiere Ihnen – ich warne Sie aber im Voraus vor seinem Auftritt, damit Sie die Augen schließen oder sich die Hände vors Gesicht halten können, falls Sie sich fürchten – Vaclav den Großartigen, den Jungzauberer.«
    »Na ja«, sagt Lena nörgelnd.
    »Lena, wir haben hier die ideale Einführung in die Zaubervorstellung. Sie hat die richtige Länge, sie ist einfach perfekt und besteht nur aus den besten und längsten Wörtern des Thesaurus«, sagt Vaclav.
    »Sag nach drittem Satz, Magie ist die Kunst, Ereignisse mit übernatürlichen Kräften zu kontrollieren«, fordert ihn Lena auf Englisch auf. Das ist ein Lieblingssatz von Lena – sie hat ihn aus dem Zauberer-Almanach und hat ihn auswendig gelernt. Der Almanach ist groß und alt und schwarz mit lauter Gold an den Seitenrändern, nichts als Magie und Tricks und Täuschungen. Vaclav hatte ihn sich immer wieder aus der Bücherei ausgeliehen, und Lena hat das Buch letztes Jahr zu seinem Geburtstag in ihren Schulrucksack gepackt und mit nach Hause genommen, damit sie es ihm schenken konnte und damit es für immer ihnen gehören würde.
    »Das klingt gut, gehört aber nicht zur Zaubervorführung. Ich hab’s dir schon gesagt. Das ist die Einführung, so und kein Wort mehr. Versiegele sie jetzt mit der magischen Geburtstagskerze.« Vaclav faltet das Blatt aus dem Schulheft, auf dem das Vorwort zur Vorführung geschrieben steht, und streckt es |13| Lena hin. Lena nimmt es nicht entgegen. Lena hält die Geburtstagskerze in der linken Hand und reibt mit dem Daumen über ihre gedrechselten Windungen. In der rechten Hand hat sie das Feuerzeug, mit dem sie die Kerze anzünden soll. Das Versiegeln des Blattes mit Wachstropfen ist ein wichtiger Bestandteil bei allem, was Vaclav und Lena schreiben, und es ist Lenas Aufgabe, und zwar ausschließlich ihre, die magische Geburtstagskerze anzuzünden, sie hochzuhalten und das Wachs dann auf das gefaltete Papier tropfen zu lassen, um es für alle Zeit zu verschließen.
    Unter Vaclavs Bett, neben einer vergessenen Socke, gibt es inmitten von Krimskrams und Staubmäusen einen Schuhkarton voller gefalteter Blätter aus Schulheften, die Lena mit Wachstropfen versiegelt hat. Auf den Blättern stehen wichtige Erklärungen, Verträge, Listen und sonstige Kunsterzeugnisse aus dem Leben der jungen Zauberer.
    »Wir schreiben das und schließen jetzt ab, Lena, und heute Abend werde ich um die Erlaubnis für eine Show bitten.«
    »Unmöglich«, sagt Lena.
    »Wohl möglich. Ich krieg das hin. Vielleicht nicht heute Abend, aber bald. Jetzt versiegeln wir die Einführung, und dann können wir an der Vorstellung arbeiten. Wenn wir erst die Erlaubnis haben, machen wir eine Vorführung. Zünd die Kerze an. Lass sie schmelzen. Und dann fertig.«
    »Falt es auseinander. Schreib: Magie ist die Kunst, Ereignisse mit übernatürlichen Kräften zu kontrollieren.«
    »Das werde ich nicht tun, Lena, nein. Der Satz ist kein Bestandteil der Einführung in die Zaubervorstellung, er gehört
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