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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde
Autoren: Vonda N. McIntyre
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und erhob sich nach einigem Zögern. Mischa verstand, daß sein Widerwille nicht eine Folge der Erschöpfung war, sondern der Furcht, die Rückkehr in jenen Raum werde schmerzliche Erinnerungen an seine alte Gönnerin wachrufen.
    »Es muß nicht sein, Jan.«
    »Sei nicht albern, Kind. Komm, gib mir die Hand, daß ich mich auf dich stützen kann.«
    Sie gab ihm den Arm, und gemeinsam gingen sie zum Aussichtsraum. Unter ihnen lag die Erde, halbiert von der Grenze zwischen Tag und Nacht, gleißendes Sonnenlicht auf den Wolken.
    Hikaru ließ sich steif auf eine gepolsterte Bank nieder, und Mischa setzte sich zu ihm. Aus der Nacht zogen die graubraunen Wirbel der Sandstürme. Die meisten Wolken waren graubraun und gelblich; aber da und dort entdeckte Mischa weiße Wolkenbildungen, und dann kamen grünliche Flecken in Sicht, und schließlich das Blau des Ozeans. Sie hatte nie einen Ozean gesehen.
    Sie dachte an Val und was die tapfere Frau ihr zum Abschied über die Fülle der Aufgaben gesagt hatte, die angepackt werden mußten, und sie dachte an das halbe Versprechen, das sie Krabbe gegeben hatte. Noch meinte sie, mit dem Verlassen der Erde das Rechte zu tun, aber die Zukunft war offen.
    »Sag, Jan ...«
    Sie verstummte; das Kinn war ihm auf die Brust gesunken, und er schlief. Später würde noch genug Zeit zum Sprechen sein.
     
    Aus dem Tagebuch des Jan Hikaru:
     
    Auf halbem Weg nach Koen. Die ersten Etappen verschlief ich, und als ich aufwachte, waren wir im Begriff, den nächsten Sprung zu machen. Subzwei zeigte Mischa, wie alles funktioniert. Als der Sprung eingeleitet war, kümmerte er sich um Galathea, die sich von einer Gehirnerschütterung zu erholen beginnt. Er verbringt den größten Teil seiner freien Zeit an ihrem Lager, und wenn sie nicht miteinander reden, halten sie sich stumm bei den Händen. In mancher Weise gemahnen sie mich an Halbwüchsige, unerfahren in Zärtlichkeit, zögernd, aufrichtig, von Skrupeln geplagt.
    Ich dachte nie, daß ich mit Freuden heimkehren würde, doch gerade dies ist eingetreten. Ich freue mich auf Koen. lchiri kann mein Leben nicht mehr bestimmen – er hätte es nie tun können, wäre ich nicht allzu fügsam gewesen. Nun, da ich mich von ihm freigemacht habe, werde ich ihn nehmen können, wie er ist. Ich hoffe, er wird eines Tages fähig sein, umgekehrt das gleiche zu tun.
    Eine Rückkehr zur Erde in nicht zu ferner Zukunft erscheint immer wahrscheinlicher, doch wird eine gründliche Vorbereitung notwendig sein. Zumindest werde ich diesmal wissen, worauf ich mich vorzubereiten habe. Und in der Zwischenzeit werden Mischa und ich Gelegenheit haben, Vals Petition in der Sphäre zu verbreiten. Wir können die alte Heimat nicht länger ignorieren. Selbst Mischa, die mehr als jeder andere Ursache hat, im Vergessen des Vergangenen Zuflucht zu suchen, beschäftigt sich mehr und mehr mit dem Gedanken an eine Rückkehr zum Zentrum. Doch stehen ihr
jetzt viele Wege offen, und sie sollte zunächst die Optionen kennenlernen, die sie hat, ehe sie entscheidet, was sie mit ihrer Zukunft und ihren Fähigkeiten anfangen will. Vielleicht läßt sich durch Fürsprache erreichen, daß sie ein außerordentliches Universitätsstipendium erhält, ohne zuvor die Schulbank drücken zu müssen. Zwar wird es ihr am Schulwissen fehlen, aber besondere Begabungen haben zu allen Zeiten großzügige Förderung erhalten, und man wird ihre Situation berücksichtigen. Um ihr Talent zu entfalten, braucht sie Freiheit, wissenschaftliche Hilfsmittel und Unabhängigkeit. Murasakis Vermögen oder auch mein Vater könnten ihr mit Leichtigkeit eine Ausbildung finanzieren, und ich werde mich für sie verwenden, sollte es notwendig sein. Aber Mischa gehört zu jenen Menschen, die eine vom Staat gewährte unpersönliche Unterstützung allem vorziehen, was sie als verpflichtende Freundschaftsgeschenke ansehen würden. Von nun an, denke ich, wird es ihr im Leben an Erfolgen nicht fehlen.
     
     

 
     
     

     
    Created with Writer2ePub
    by Luca Calcinai
     
     
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