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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Treppe vor. »Ich weiß nicht«, sagte Clarissa, »welche Anweisungen er ihnen für einen solchen Fall gegeben hat.« Es schien Val charakteristischer für Blaisse, daß es ihm nie in den Sinn gekommen war, seiner Leibwache präzise Instruktionen für den Fall eines Staatsstreiches zu erteilen. Das Thema eines Umsturzversuches gehörte sicherlich nicht zu denen, die er zum Gegenstand von Erwägungen zu machen wünschte.
    Sie fanden ihn friedlich schlafend wie ein Kind, den Kopf auf die Brust seiner jugendlichen Sklavin gebettet.
     
    »Was habt ihr mit mir vor?« Blaisse hatte einen Fluchtversuch unternommen, und Simon hatte ihn eingefangen und niedergeschlagen; nun hatte der Gebieter über die Stadt einen angeschwollenen und bläulich verfärbten Unterkiefer und weigerte sich, jemand anderen als Val anzusehen.
    »Vielleicht sollten wir dich ins Exil schicken. Dich für vogelfrei erklären und in den Untergrund treiben.«
    »Ich hatte nichts mit dem zu tun, was dir zugestoßen ist.« »Nein«, sagte Val, »natürlich nicht. Du standest auf und sagtest: ›Sie ist ein menschliches Wesen wie wir alle, wie können wir
    ihr dies antun?«‹
    Er senkte den Blick. »Nun, was konnte ich machen?«
    »Schon gut, Blaisse. Du kannst es jetzt gutmachen. Du kannst zu den Familien gehen und ihnen sagen, daß die Untergrundleute den Palast halten, und daß ich unter diesen Leuten bin und zu ihnen gehöre.«
    »Du willst, daß ich hinausgehe? Den Palast verlasse?«
    »Du bist verrückt, Val«, sagte Clarissa. »Sie werden kommen, den Palast stürmen und euch in Stücke reißen.«
    »Das glaubst du selbst nicht, Cousine. Sie konnten mich nicht einmal ermorden, als ich ein Kind war. Und wenn meine Familie den anderen nicht erlauben konnte, mich zu töten, würde die deinige deinem Tod zustimmen?«
    »Du erwartest, daß ich hierbleibe?«
    »Es kann dir gleich sein, ob du meine Geisel bist oder Blaisse.«
    »Meine Familie wird den Strom abschalten – sie wird die Lichter ausgehen lassen.«
    »Als man mich in die Finsternis verstieß, trugst du deinen Teil dazu bei! Meinst du, wir brauchten ihr Licht, um zu überleben?«
    »Val«, sagte Clarissa einlenkend, »der Palast und die Familien sind sehr sorgfältig gegeneinander ausbalanciert. Wenn du die Balance zerstörst ...« Sie brach mit einem bedeutungsvollen Achselzucken ab.
    »Ich erinnere mich an alle die Pläne, die unsere Familien hatten. Aber sie werden nicht gegen jemanden arbeiten, der all dies nicht braucht.« Sie ließ ihren Blick durch Blaisses Schlafzimmer wandern. Es sah nicht mehr so großartig und prächtig aus, wie sie es aus den Tagen ihrer Kindheit in Erinnerung hatte, nur überladen und da und dort ein wenig schäbig.
    »Sie werden euch bekämpfen«, sagte Val.
    »Auf Blaisses Verlangen? Das glaube ich nicht, Cousine.«
    Clarissa verschränkte die Arme und blickte zu Boden. Val richtete ihre Aufmerksamkeit auf Blaisse. »Macht Euch bereit, Euer Gnaden, Ihr habt eine wichtige Mission.«
    Blaisse stapfte unwillig hinaus in sein Ankleidezimmer. »Saita!« Das dunkelhäutige junge Mädchen beeilte sich, ihm den Vorhang zu halten.
    »Warte!« sagte Val in scharfem Ton. Blaisse wandte sich halb zurück. »Bist du noch fähig, dich selbst anzuziehen, Blaisse?«
    »Natürlich«, murmelte er verdrießlich.
    »Dann tu es!«
    Er schoß ihr einen wütenden Blick zu, stieß den Vorhang zur Seite und stürmte hinaus.
    Val nahm die beiden Sklaven beiseite. »Ihr seid frei«, sagte sie. »Ihr braucht nicht mehr zu tun, was Blaisse und Clarissa euch sagen. Habt ihr verstanden?«
    Die beiden schauten sie in stummem Zweifel an. Val erinnerte sich, wie ihr zumute gewesen war, als die vertraute Welt ihrer Kindheit um sie her in Scherben gefallen war.
    »Sie wissen nichts von Freiheit«, sagte Clarissa spöttisch. »Sie sind unfähig, für sich selbst aufzukommen.«
    »Genau so erging es mir, Clarissa.«
    Der Junge brach plötzlich in verzweifelte Tränen aus.
     
    Die geregelte Ordnung der Verhältnisse im Steinpalast war dem Chaos gewichen. Die Aufseherin ging ihren Pflichten nach, unberührt von allem, noch immer geachtet von denen, die ihr begegneten: Sie machten ihr Platz, warteten jedoch nicht auf Anweisungen. Und sie gab keine. Sie wagte noch immer nicht zu glauben, daß sie frei war.
    Sie Watte von bewaffneten Eindringlingen gehört und war in Sorge, hörte aber keinerlei Geräusche von Tod oder Zerstörung. Clarissas Räume lagen verlassen, also ging sie weiter zu Blaisses
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