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Der König der Narren

Der König der Narren

Titel: Der König der Narren
Autoren: Tanja Kinkel
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und gab es auf, als sie nicht reagierten, sondern stattdessen bei Yen Tao-tzu Schutz suchten. Er strich einer von ihnen über den Kopf, ehe er sich darauf besann, wer sie waren.
    »Sand in der Hand«, sagte er zu Res, nachdem sie den Teppich wieder in die u m gekehrte Richt u ng gebracht hatte. »Als ich nach Phantásien ka m , war ich von Reimen wie gebannt. Die Gedichte in m einer Hei m at re i m en sich nicht, m usst du wissen. Rei m e waren neu, und ich lernte so viele wie m öglich.«
    » W eißt du inzwischen, was du in deiner Hei m at getan hast ? «, f r agte s i e. Mittl e rweile war e s so k alt, dass sie Mühe h a tte, ih r e Li p pen zu bewegen. Sie wunderte sic h , warum es Yen Tao-tzu weniger auszu m achen schien.
    Er nickte und öffnete erneut d e n Mund, doch kein Laut drang hervor. Stattdessen schir m te er seine Augen ab und blickte wieder auf die eisigen Gebirgsspitzen unter ihnen. Er schüttelte den Kopf und sah noch ein m al hin, als traue er s e inen Augen nicht. Dann deutete er stumm auf das, was er e n tdeckt h atte.
    Die Berggipfel m achten Platz für eine en d l o s e, schnee b edeckte Ebene. Und m itten in dieser Hoche b ene, deutli c h gegen das gleißende W eiß erkennbar wie ein Stück H i m m el auf der Erde, stand ein kleiner, sc h m aler Berg aus leuchtendem Blau.
    »O nein«, sagte Res, und sogar ihre Zähne wurden taub in der Kälte. »Zwei m al falle i c h nicht darauf herein.«
    Ich wäre ja ganz deiner Meinung, verkündete die Katze bibbernd, aber ich glaube nicht, dass die Fürstin in der Lage war, ausgerechnet hier oben noch einen gefälschten Wandernden Berg zu bauen. Außerdem, als wir sie zurückgela s sen haben, war sie nicht eben in der besten Verfassung. Hoffnung s voll fügte sie hinzu: B eim Alten vom Wandernden Berge ist es besti m mt warm.
    Den Alten vom W andernden Ber g e konnte m an nicht suchen, nur finden. Und nun, da Res ihn nicht m ehr gesucht hatte, hatte sie ihn gefunden.
    Eigentlich gab es nichts m ehr, was si e von ihm wissen wollte. Aber die Katze war nicht die Einzige, die zitterte; und wenn schon sonst nichts, so konnte er ihr z u m i ndest verraten, was m it Siridom geschehen war. Vielleicht auch, ob der Gesandte der Kindlichen Kaiserin noch auf der Suche nach einem Menschenkind war.
    Andererseits m ochte es besser sein, all das nicht zu wissen und sich noch ein paar Stunden läng e r an die letzten Hoffnungen zu klam m ern, die ihr noch geblieben waren. Res zögerte, bis Yen Taotzu einen verwunderten Schrei aus s tieß, in dem Freude und Trauer zugleich m itschwangen.
    »Sieh nur!«, rief er. »Sie ist es!«
    Die Fürsti n ?, fragte die Katze.
    »Nein«, gab Res zurück.
    Die kleine Gestalt dort unten war zuerst nicht zu erkennen gewesen, weil ihr weißes Haar und ihr weißes Gewand m it dem Schnee versch m olzen. Aber nun kletterte sie den blauen Berg hoch, an einer Leiter aus Buchstaben, die an der kreisrunden Öffnung des Eis endete. Res hatte sie nie zuvor in ihrem Leben gesehen, und doch wusste sie, um wen es sich ha n delte. Sie wusste es, wie jeder Pha n tásier es wusste, wenn er das Glück hatte, der Goldäugigen Gebieterin der Wünsche zu begegnen. Kein ander e r Anblick konnte diese Mischung aus Ehrfurcht und Liebe hervorrufen, aus Staunen über et w as völlig Fre m dartiges und dem W i edererkennen von etwas grenzenlos Vertra u te m . Gleichz e itig k ä mp f te sich in Res ein Satz an die Ober f läche ihrer Gedanken, den sie immer aufs Neue wiederholte, bis sie ihn selbst verstand, denn in seiner kle i nen, scharfen Säure stand er so ganz und gar im Gegensatz zu der tiefen Freude, d i e von diesem Anblick ausging.
    Wo warst du ? , lautete er. W o warst du so lange? W arum nur hast du uns nicht eher geholfen?
    Dort unten, auf dem Weg zum Alten vom Wandernden Berge, kletterte die Kindliche K aiserin.

 
KAPITEL 22
     
    Es dauerte eine W eile, bis Res sich über ihre w i dersprüchlichen Gefühle im Klaren war. Dann sagte sie gepresst: » T eppich, fliege zum Eingang des Eis.«
    Doch zum ersten Mal g ehorchte der Teppich i h r nic h t. Sie wiederholte den Befehl, und noch imm e r tat sich n i chts. Ein V erdac h t kam ihr, und um ihn zu überprüfen, ordnete sie an, ein wenig zurückzufliegen. Das tat der Teppich ohne Zögern. Also wollten entweder die Kindliche Kaiserin oder der Alte vom W andernden Berge nicht, dass irgendje m and auß e r der Kindlichen Kaiserin das Ei betrat.
    Inzwischen hatte d ie Kindliche K a i s erin d i e Leiter
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