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Der König der Narren

Der König der Narren

Titel: Der König der Narren
Autoren: Tanja Kinkel
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aus Buc h staben erklom m en. Sie schaute sich u m , und obwohl sie so weit entfernt war, dass sich kaum die feinen Züge ihres Gesichts aus m a c hen ließen, war es Res, als treffe ihr goldbrauner Blick sie ins Herz.
    In deinem Ende ruht dein Anfang, sagte e i ne Stim m e in ihrem Kopf, und es war nicht die der K a tze. Dann wandte sich die Kindliche Kaiserin wieder der kreisrund e n Öffnung i m Ei zu. Diese schloss sich augen b lic k lich hinter ihr, m it einem gewaltigen Echo, das von jedem der Berggipfel jenseits d e r Hochebene widerzuhallen schien. Aber es war nic h t das E cho ei n er Tü r, die ins S chloss fiel, oder das Knirschen einer schweren Platte, d i e verschoben wurde; es hörte sich viel m ehr an wie das tausendfach verstärkte Zuklappen eines Buches.
    »Es ist vorbei«, sagte Yen Tao-tzu ruhig.
    Wie meinst du das?, fragte die Katze sic h tlich v erst ö rt.
    »Haben dir deine Auftraggeber n i e verraten, was die Kindliche Kaiserin ist ? «, gab Yen Tao-tzu zur ü ck, doch er tat es ohne Groll, m it einer A bgeklärtheit, als liege di eser Mo m ent schon lange hinter ih m . »Sie ist der Ursprung von Pha n tásien, die Quelle, durch die alles, aber a uc h alles in dieser W elt entste h t. Der Alte hinge g en ist das Ende. Er zeichnet auf, was auch immer geschieht, und in dem Mo m ent, da er es aufzeich n et, i s t es nicht länger lebendige W i rklichkeit, sondern Geschichte. Sie ist ewige Veränderung; er ist Unveränderlichkeit. Aber nun, da sie zu ihm gekommen ist, wird es keine Veränderung m ehr geben. Sein Ei ist d e r eine Ort, in dem ihre Macht nichts bewirkt, und er selbst hat nie die Möglichkeit zur Veränderung gehabt. Sie wird das Ei nie m ehr verlassen können.«
    Du meinst… es wird keine Erneuerung geben? Die Firma wird hier alles übernehmen können, wenn das Nichts erst…. begann die Katze in äußerst beunruhigtem Ton f all, stockte, schaute zu Res und erklärte zögernd: Ich… ich werde ein gutes Wo r t für dich einlegen, wenn es so weit ist. Das sind nicht die angenehmsten Gesellen, meine Auftraggeber, aber schau dir an, mit wem du schon fertig geworden bist.
    »Danke«, erwiderte Res, »doch ich werde nicht da sein, hast du das vergessen? Du und Yen Tao-t z u vielleicht, aber von uns Phantásiern niemand.«
    Sie konnte noch immer nicht glauben, dass die Kindliche Kaiserin Phantásien den Rücken gekehrt haben sollte, um genau w i e ihre Untertanen ein Ende zu suchen. Nicht sie. Das war einfach unmöglich. Viell e icht h atte d ie Kälte ihr diesen Anblick nur vorgegaukelt.
    »Teppich, bring uns so schnell wie möglich fort aus diesem Gebirge«, sagte sie, und der Teppich gehorchte. Aber bereits a m Fuß des Gebirges, als die K älte auf ein erträgliches Maß gesun k en war, endete ihr Flug erneut. Was auch immer jenseits des Gebirges lag, war nicht m ehr zu sehen.
    Von Horizont zu Horizont spannte sich das Nichts.
    Res spürte seine Anziehungskra f t; noch nicht so gewaltig wie schon ein m al. Vielleicht hielten der Alte vom W andernden Berge und der Blick, den die Kindliche Kaiserin in ihr Herz gesenkt hatte, das Bedürfnis noch zurück. Aber es war bereits vorhanden, wie ein schwaches Kribbeln, nicht unähnlich d e m Gefühl, das ihr Blut hinterließ, als es jetzt, nach der Kälte, wieder schneller durch ihre Adern strö m te.
    Über die beiden Leonesinnen gli t t ein Schauer hinweg, und Res wusste, dass sie es sch o n stärker spüren m ussten. Langsam verfor m ten sie sich, von Katzen zu W olken zu Mädchen, und eine von ihnen ergriff Res an den Händen. Ihr Mund, der noch halb der einer Katze war und halb schon der einer F r au, öffnete sich mühs a m .
    »Sch m erzt. Versprechen jetzt einlösen. Frieden geben.« Solange je m and hier noch Frieden fand.
    »Ja«, sagte Res.
    Nein!, rief die Katze. D u meine Güte, diese Welt bricht auseinander, und ihr beiden könnt nur daran denken, dass ihr Res vorher umbringen müsst, obwohl sie ohnehin gleich umkommt? Ich weiß, dass sie euch das als Gegenleistung für eure Hilfe versprochen hat, schließlich habe ich die Botschaft ja selbst überbracht, aber lasst euch eines von einer echten Katze sagen: E i nen Handel kann man immer ändern! Und wenn die Gegenleistung nichts wert ist, dann sucht man sich eine bes s ere!
    Die sandigen Finger in Res’ Hand rührten s i ch nicht. Doch auch die Leonesinnen blieben starr und hörten auf, sich zu verfor m en. Langsam zog Res die Hand der Leonesin, die nach ihr gegri f fen hatte,
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