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Der König der Narren

Der König der Narren

Titel: Der König der Narren
Autoren: Tanja Kinkel
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KAPITEL 1
     
    Die Luft war noch feucht und l a g schwer ü b er der Ebe n e v o n Kenfra, als Res aus dem Haus schlüp f te. Sie f r östelte in d e m m ilchigen, wabernden Nebel, durch den e r st wenige Sonnenstrahlen tanzten, a b er wenn sie län g er wartete, würde i h re M utter s i e he u t e n i cht m ehr fortlassen, und es kam ihr vor, als wäre sie die ganzen letzten Tage eingesperrt gewesen.
    Ihre Mutter gehörte zu den W eberinnen von Siridom und w a r entschlossen, d afür zu sor g en, dass Res in i h re F u ßstap f en t r at. Daran war an und für sich nichts Sch l echtes; die W eberinnen von Siridom wurden in ganz Phantásien hoch geachtet, und die Teppiche, Vorhänge und Gewänder, die von Kenfra aus ihren langen Weg in die verschiedenen Reiche antraten, g a lten als die schönsten der Welt. Zu den W eberinnen von S i ridom zu zählen war eine große E hre; nur selten, vielleicht ein m al in drei Generationen, gelang es einer Frau, die nicht in der Ebene geboren worden war, von ihnen aufgenom m en zu werden, und selbst f ür die Töchter von W eberinnen war es nicht leicht. Res sollte daheim bleiben und sich auf ihre Prüfung vorbereiten, statt durch die Gegend zu streu n en, pflegte ihre Mutter zu sagen.
    Aber Res konnte die Z ukunft so deutlich vor sich sehen wie das Webschiffchen, das hin- und hereilte, hin und her, » m it einem Faden an das Gewebe gefesselt wie die W e berinnen an ihre W ebstühle, und die Aussicht würgte sie bisweilen in der Kehle. Es gab noch anderes, als eine W e berin von Siridom zu sein. Es m usste etwas anderes geben.
    Sie lief zur Hauptstra ß e, zu dem Meilenstein, der selbst noch nicht lange wach und daher schlechter Laune war.
    »Noch keine W agen von der Händlergilde heute Morgen«, beschwerte er sich, »und kein Öl. I c h bin doch kein Kiesel mehr, und ich trockne aus! «
    Es war Sitte, dass ihn jeder Reisende, der Siridom i m H e rz der Ebene betrat, m it ein wenig Öl üb e rgoss, aber der Grund, warum Res und ihr bester Freund K unla sich so häufig beim Meilenstein trafen, war ein an d erer; v i ele R eisende warfen ju s t an dieser Stelle auch i h re Abfälle hinaus. Auf diese W eise hatte Res schon ein m al einen Zauberspiegel gefunden. Gut, es war ein leicht beschädigter Spiegel gewesen, der einem i m m er nur nutzlose Sachen wie alte, längst ausgewaschene Soßenflecken auf den K l eidern zeigte oder die Falten, die m an ein m al als alte Frau haben w ü rde, aber es war ein e c hter Za u berspiegel aus einem L a nd, das weit von der Ebene von Kenfra entfernt war, u nd Res war im m er no c h gekränkt, dass ihre Mutter den Spiegel einfach wieder f ortgeworfen hatte.
    Während der Meilenstein noch weiter über zu wenig Öl dieser Tage grum m elte, sah sie Kunlas stachligen Grünschopf im Nebel auftauchen und winkte ih m .
    »Es ist heute noch niemand gekom m en«, sagte sie, als er sich neben ihr in den Straßengraben fallen ließ.
    »Das ist seltsa m «, m einte Kunla. » W ir haben s chon seit drei Tagen keinen Tross m ehr gehabt. Mein Vater schimpft ständig über die Verspätungen.«
    Kunlas Vater gehörte zur Kauf m a nnsgilde, d ie zwischen den W eberinnen u n d dem Rest von Phantá s i en ver m ittelte. Er bes o r g te ihnen die Aufträge und organisierte die Tr osse, die ihre Stoffe in die verschiedenen Reiche brachten. Das b e deutete, dass Kunla m i t einigen der Trosse würde reisen dürfen, w e nn er die Welt der Kinder verließ, was schon bald der Fall sein wür d e, und Res beneidete ihn glühend daru m .
    »Ich hoffe, heute kommt einer«, s a gte Res und zog eine Gri m asse.
    »Morgen muss ich wirklich m it m e inem Gesellenstück anfangen.« Kunla grinste und zog sie an i h ren Z öpfen. »Aber wer will denn einen braunen Teppich haben ? «
    Sie versetzte ihm einen Ellenbog e nstoß. W i e alle zukünftigen Weberinnen besaß Res langes, sehr langes Haar, aber anders als bei den m eisten war es von einer lan g weiligen Farbe. Das Haar ihrer Mutter leuchtete in Purpur. Bei anderen W eberinnen glänzte Gold auf dem Kopf oder auch Himmelblau, aber die drei Zöpfe, die Res über die Schultern hingen, so has t ig geflochten, dass sich bereits m ehrere Strähnen gelöst hatten, waren langweilig, durchschnittlich braun. Es würde ihre Aufgabe nur erschweren. Für ihr Gesellenstück schnitt sich ein Mädchen, das von den W eberinnen aufgenom m e n werden wollte, ihr Haar ab und w e bte es in d en Teppich, den sie schuf, so m i t ein, dass es wie
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