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Jagd in der Tiefsee (Cryptos)

Jagd in der Tiefsee (Cryptos)

Titel: Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
Autoren: Roland Smith
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Luther
    Marty O’Hara war es gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er seinen besten Freund und Klassenkameraden Luther Smyth vermisst hatte. Das wurde ihm erst richtig klar, als Luther aus dem Wasserflugzeug auf die Mole sprang. Marty freute sich so über das Wiedersehen, dass er gar nicht weiter auf den zweiten, reichlich kauzig wirkenden Passagier achtete, der hinter Luther aus dem Flugzeug kletterte.
    Und da stürmte Luther auch schon mit Riesenschritten auf Marty zu. Er war eine schlaksige Bohnenstange mit feuerroten Haaren und trug jetzt einen kleinen Rucksack über der Schulter und im Gesicht sein typisches dümmliches Grinsen.
    »Hey, du hast ja die Wahrheit gesagt, alter Nasenpopler!«, rief Luther. »Cryptos gibt’s wirklich. Und ’n ziemliches Gruselflair hat die Insel auch. Zumindest aus der Luft.«
    Jetzt grinste auch Marty. »Bist ’n ganz Heller!« Das war einer von seinen und Luthers Lieblingssprüchen.
    Genau in diesem Augenblick zottelte eine Schimpansin die hölzerne Mole entlang, blieb direkt vor Luther stehen, als wollte sie Martys Urteil überprüfen, und stieß feixende Laute aus.
    »Darf ich vorstellen? Das ist Bo«, verkündete Marty. »Bo, das hier ist der wahre Nasenpopler!«
    Luther ignorierte die Bemerkung und ging, noch bevor Marty ihn warnen konnte, vor Bo in die Hocke. In derselben Sekunde grapschte Bo nach Luthers signalfarbenem Haarschopf und riss ihm ein dickes Büschel Haare aus.
    »Autsch!« Luther kippte hintenüber und wäre geradewegs ins Wasser geplatscht, hätte Marty ihn nicht am Arm gepackt.
    »Puh, das war knapp. Danke!«, sagte Luther.
    »Keine Ursache.«
    Wieder feixte Bo, dann turnte sie mit ihrer haarigen Trophäe die Mole entlang, schwang sich mit einem Satz über das Sicherheitstor und verschwand in den Bäumen.
    »Als Friseurin bist du ’ne totale Niete!«, schrie Luther hinter ihr her.
    Marty schüttelte den Kopf. »Hab mich schon die ganze Zeit gefragt, wie sie deine Haare wohl finden würde.«
    Luther rieb sich die schmerzende Kopfhaut. »Na, ich schätze mal, sie mag sie nicht.«
    »Quatsch! Sie findet sie supercool«, widersprach Marty. »Du hast doch gesehen: Sie hat sich geradezu darum gerissen.«
    »Wie viel hat sie erwischt?«
    Marty besah sich den Kopf seines Freundes. »’ne ordentliche Matte. Aber keine Sorge. Fällt kaum auf.«
    Luthers Haar war schon immer ein einziger riesiger Wirbel gewesen, der wild nach allen Seiten abstand und nicht einmal mit Kraftkleber zu bändigen war. Das wusste Luther, weil er es einmal ausprobiert hatte – mit äußerst zweifelhaftem Erfolg.
    Doch Luther schien schon gar nicht mehr an den Haarraub zu denken. Gebannt starrte er auf das riesige Schiff, das an der Mole vertäut war.
    »Das ist also die ›Coelacanth‹«, staunte er, wobei er den Namen Ko-el-a-kanth aussprach.
    »Das heißt Sie-la-kant, du Schwachkopf«, korrigierte Marty. »Benannt nach einem Fisch, dem Quastenflosser, von dem man dachte, er wäre vor fünfundsechzig Millionen Jahren ausgestorben. Bis er 1938 von einer gewissen Marjorie Courtenay-Latimer in Südafrika gesichtet wurde. Wolfe hat zwei Stück davon im Aquarium in seiner Bibliothek.«
    »Der Kahn sieht tatsächlich so aus, als hätte er Millionen von Jahren auf dem Buckel«, bemerkte Luther. »Was für eine Rostlaube! Bist du sicher, dass die es bis nach Neuseeland schafft?«
    »Logisch!« Marty verschwieg tunlichst, was man sich auf der Insel zuraunte: dass die »Coelacanth« angeblich ein Geisterschiff sei, und zwar eines der übelsten Sorte. Zehn Jahre zuvor war sie nämlich an die US-amerikanische Küste getrieben worden – ohne Fracht und vor allem ohne die fast fünfzigköpfige Besatzung. Lediglich den Kopf des Kapitäns hatte man gefunden: frisch abgetrennt auf dem Kopfkissen in seiner Koje.
    Grace hatte diese Gruselstory im Internet nachrecherchiert, doch Marty wollte Luther nicht sofort damit schocken. Nach Cryptos war das Schiff gelangt, weil Martys Onkel, Travis Wolfe, es bei einer Auktion ersteigert hatte. Und da er der einzige Bieter gewesen war, hatte er es zu einem Spottpreis erhalten. »Von wegen Unglücksschiff – ein echter Glücksgriff war das! Hat alle anderen abergläubischen Interessenten abgeschreckt!«, hatte Wolfe erklärt. »Praktischerweise hatte ich gerade eine kleine Geldreserve, um das Schiffsinnere umzurüsten.« Auf das Äußere hatte er keinen müden Cent verschwendet, die Optik war ihm völlig egal.
    Jetzt brummte es an Bord der »Coelacanth« nur so vor
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