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Der König der Narren

Der König der Narren

Titel: Der König der Narren
Autoren: Tanja Kinkel
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eine kunstvolle Verzierung wirkte. Res würde viele bunte Fäden kaufen müssen, um das fade Braun wettzu m achen.
    »Hast du deinen Vater gefragt ? «
    Kunla biss sich auf die Lippen. »Ja, und er ist immer noch dagegen. Er meint, deine Mutter würde es dir bestimmt nicht erlauben, und Ärger mit den W eberinnen seist du nicht wert.«
    Res starrte auf die Straße und versu c hte sich ihr Verletztsein nicht an m erken zu lassen. Natürlich war ihre Hoffnung, Kunlas Vater würde sich für sie einsetzen und ihr gestatten, m it einem Tross zu reisen, immer sehr klein gewesen.
    Kunla, der wusste, wie sehr sie sich danach sehnte, die Welt zu sehen, m einte: »Sicher wirst du dafür m al die beste W eberin von Sirido m , und die Kindliche Kaiserin s e lbst bittet dich, für den Elfenbeinturm zu weben.«
    »Die beste werde ich nie«, stellte Res nüchtern fest, »und selbst wenn, was nützt es m i r, wenn ich den Elfenbeinturm doch nie selbst sehe ? «
    »Nun, zu m i ndest weißt du, wie er aussieht«, sagte Kunla.
    Jede W eberin wusste, wie der E l fenbeinturm aussah, der Turm Xayides oder die übrigen berüh m t e n Orte Phantásiens. Sie wussten es, weil ihre Teppiche nichts and e r es d a rst e llt e n als Er e ig n isse aus der Geschichte Phantásiens, Ereignisse, die m a nch m al so weit zurückla g en, dass sich selbst die ä l testen W eberinnen nicht erinnern konnten, um wen es sich bei den F i guren handelte, die unter ihren Fingern erblühten. All das spielte sich jedenfalls an Orten ab, die keine von ihnen je erblickt hatte und die es vielleicht nicht m e hr gab. Aber sie webten, wie ihre Mütter und Großmütter gewebt hatten, erschufen die gleichen Gestalt e n und Muster stets aufs Neue.
    » W aru m ? «, gab Res angriffslustig zurück. » W eil bei uns dahe i m ein Teppich hängt, der ihn zeigt? W oher soll ich wissen, dass er i mm er noch s o aussieht? Vielleicht hat die Kindliche Kaiserin ihn längst verändern lassen? Hier küm m ert das bestim m t keinen. Der Turm sah ein m al so aus, vor Urz e iten, und nun wird er bis in alle Ewigkeit so aussehen, w eil sich hier nichts verändert!«
    Bei den letzten W orten war sie lauter und lauter geworden, und Kunla legte ihr eine Hand auf den Arm.
    »Schschsch«, sagte er. »Ich gla u be, der Tross kommt endlich.«
    Der Nebel der Ebene trug Geräusche besonders gut, und Res hörte das Scharren und Klappern, ehe sie die dunklen U m risse in der D ä m m erung au s m achte. Dieser Tross wurde von Laufvögeln gezogen, denen m an die Schwungfedern genommen hatte. Sie waren schneller als die m eisten anderen La sttiere, aber nicht g anz s o star k ; gewiss nicht stark genug, um all die Ballen zu tragen, die sich inzwischen in den Lagerhäusern aufgestaut hatten. Kunlas Vater würde nicht erfreut sein.
    Als die W agen näher ka m en, fiel Res auf, dass etwas fehlte. Neben den Scharrgeräuschen, die von den Klauen der Vögel auf der Straße herrührten, hörte sie nichts. Gar nichts. Keine Töne der Erleichterung, wie Reisende, die in der Nacht unterwegs gewesen w a ren, sie beim Anblick des Meilens t eins üblicherweise ausstießen. Kein Fluchen. Kein Antreiben der Laufvögel. Nichts.
    Der Nebel wurde dünner, und die Wagen hoben sich schwarz gegen den rosigen Morgen ab, gezogen von den großen weißen Tupfen, die im m er deutlicher die langhalsige Form der Laufvögel annah m en. Aber keine weite r e Fo rm , keine andere Farbe zeichnete sich gegen die dunklen Wagenplanen ab.
    »Res«, sagte Kunla, »da stim m t etwas nicht.«
    Ein Überfall, dachte Res. Vie l leicht war der Tr oss von Räubern überwältigt worden. Das würde die tagelange Verspätung erklären. Sie kniff die Augen zusam m en. D i e Federn der Laufvögel waren staubbedeckt, aber keines der Tie r e schien ver w undet zu sein. Auch an den W agen entdeckte sie kein Z eichen von K a m pf oder Zerstörung.
    Der Meilen s tein war beim Näherkommen des Trosses verstum m t, ver m utlich weil er sich schon auf s ein Öl freute. Nun rief er seinen Gruß, wie er ihn für jeden vortrug, der die Ebene von Kenfra durchquerte: » W i llkom m en, Fre m de! W illkom m en i n Sirido m ! Wer seid Ihr, und wer führt Euch her ? «
    Es k a m keine Antwort, und der Meilenstein murrte: »Unhöflich, unhöflich. Gewiss wird ihr Öl ranzig sein.«
    »Meilenstein«, m u r m elte Res und strich ihm beruhigend über die von vielen Händen geglättete graue Kuppe, »ich glaube, es gibt kein Öl für dich von diesem Tross.«
    Bisher
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