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Der König der Narren

Der König der Narren

Titel: Der König der Narren
Autoren: Tanja Kinkel
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s en sp ü rte sie glatt e , f altenlose Haut und Stärke, die nicht z i tterte. Die Finger glitten an i h rer Hand hoch und hinunter, als prüften sie ein neues W ebschiffchen oder einen Faden auf seine Stärke.
    »Gut«, sagte Pallas sachte. »Nun kenne ich dich.«
    Erst in diesem Mo m ent begriff R e s, dass Pallas blind war. S i e sog unwillkürlich den Atem ein, und Pallas lachte leise.
    »Hat sie es dir nicht gesagt? I c h bin ein Schattenkind. In der Sonne könnte ich nicht leben.«
    »Aber«, platzte Res heraus, »dann kannst du keinen einzigen der Teppiche, die im Arachnion hängen, sehen.« Sie biss sich auf die Lippen und wünschte, sie hätte den Mund gehalten. Gleichzeitig schä m te sie sich. Sie hatte sich die ganze Zeit bedauert, weil m an sie davon abhielt, die W elt zu sehen, und Pallas war es noch nicht ein m al möglich, die Schönheit um sich herum zu erkennen. Ganz gleich, wie sehr Res auch wü n schte, anderswo zu sei n , sie h atte n i e daran gezweifelt, dass das Arachnion der schönste Ort von Siridom und der gesa m t en Ebene war.
    »Nein«, bestätigte Pallas ruhig, »das kann ich nicht.« Sie ließ Res los. »Zu deiner Rechten liegen mehrere Spindeln«, fuhr sie fort.
    »Reiche m ir die m it der braunen Radagast- W olle.«
    »Es ist zu dunkel, um die Farbe zu erkennen!«, protestierte R es. Pallas blieb ungerührt. »Um sie zu sehen, nun, das glaube ich dir gerne. Aber braune Radagast- W olle fühlt sich auch ganz unverwechselbar an. Wie lange webst du nun schon ? «
    »Seit ich aufrecht sitzen kann«, g a b Res zurück und tastete neben sich. Tatsächlich, dort lagen, säu b erlich nebeneinander, m ehrere Spindeln und zwischen ihnen auch ein W ollknäuel. »Manch m al denke ich, m eine Mutter hat es m ir beigebrac h t, bevor sie m i ch l ehrte zu sprechen.«
    »Dann hast du m ehr als genug Zeit gehabt, um e i nzelne Fäden auch m it g e schlossenen Augen zu erkennen«, stellte Pallas fest, und die Tortur begann.
    Ihre F i nger waren taub, ihr Kopf sch m erzte, und das Licht, das im Haus ihrer Mutter b ra n nte, s ch m erzte s i e, als wäre es so grell wie die Mittagsson n e, als Res am Abend in ihr Heim zurückkehrte. Ihre Mutter, die noch an ihrem Webstuhl saß, warf einen Blick auf sie und sagte m it einer deutlichen Spur von Belustigung:
    »Dein Essen steht in d er Küche, falls Kunla es nicht aufgezehrt hat. Er wollte auf dich warten.«
    »Die Katze auch ? «, fragte Res hoffnungsvoll.
    »Die Katze habe ich nicht m ehr gesehen, seit ich zurückgeko mm en bin«, sagte ihre Mutter, »und ganz ehrlich, Res, das ist auch besser so. E i ne Katze in einem Haus voller Webstücke? D as kann nicht gut gehen.«
    Res sackte in sich zusammen und ging schleppenden Schrittes in die Küche. Sie fühlte si ch wie eine Neunzigjä hr ige.
    Der sonst so ruhige Kunla spr a ng dagegen von der Küchenbank auf, sowie er sie sah, fasste ihre Schultern und überschüttete sie m it einem Wortschwall, der länger war als alles, was er bisher je an einem Stück gesagt hatte. »Res, du k a nnst dir nicht vors t ellen«, begann er, »was heute alles passiert ist!«
    Nein, das konnte sie w i rklich nicht. Sie hatte gelernt, Fäden nur dem Gespür nach zu unterscheid e n, obwohl ihre Augen ganz ausgezeichnet sahen. Sie hat t e stundenlang im Dunkeln gesessen, so lange, bis s i e d aran zweifelte, je wie d er a n s Lic h t zu g el a ngen, und bis sie plötzlich befürchtete, dass Pallas ein Beispiel dafür war, was m it Mädchen geschah, die keine W e berinnen w erden wollten m an blendete sie, so dass ihnen keine andere W ahl m ehr blieb. In ihrem Kopf wusste sie, dass dergleichen B efürchtungen töricht waren, aber in ihrem He r zen stim m t e sie das nicht ruhiger.
    Und die Katze, das einzige bisschen Neuigkeit, das sie Kunla hätte präsentieren können, war auch fort.
    »Es ist unglaublich! Die letzten p a ar Trosse, die hier anka m en, haben bereits davon erzählt, aber die Kauf m annsgilde hat es der Garde und allen anderen, die davon hörten, bei Todesstrafe verboten, darüber zu sprechen. Erst heute, wo jeder den leeren Tross gesehen hat, wurde das Verbot aufgehoben. Res, erinnerst du dich an die Eierwagen vor vier W ochen, die sonst immer zu dritt kom m en, nicht zu zweit? Nun, der dritte hatte keinen Unfall, oder besser gesagt, es war kein gewöhnlicher Unfall. Er besteht nicht m ehr.«
    »Je m and hat ihn zerstört ? «
    »Nein. Er geriet zu nahe an etwas, das kein Phantásier bisher beschreiben
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