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Der König der Narren

Der König der Narren

Titel: Der König der Narren
Autoren: Tanja Kinkel
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Gefühl, von den Plänen ihrer Mutter aufgesaugt und zu einer neuen Res, m it der die alte nichts zu tun hatte, u m gefor m t zu werden. Es gab keine Ruhe in ihrem Herzen, nicht das geringste bisschen, und deswegen nahm sie es übel, dass Pallas so gelassen blieb. »Eines«, erwiderte Pallas langsam und s o nachdenklich, dass Res sich schä m te. »Ich habe m ich im m er danach gesehnt, das W andgehänge vom Verlorenen Kaiser vollenden zu können. Es ist ein Kunstwerk, das m ein Herz stocken lässt, jedes Mal, wenn ich es berühre, doch die W eberin, die diesen Teppich schuf, hat ihn nie vollendet. Sie starb vorher, und in ihr e r Generation gab es nie m anden, der ihr ebenbürtig war, also ließ m an den Teppich unvollendet. W eil er unvollendet war, wurde er auch nie kopiert und erzählte seine G e schichte nur ein einziges Mal. Das«, schloss Pallas, »ist die einzige Veränderung, die ich m i r wünsche. Den Teppich des Verlorenen Kaisers zu vollenden.«
    Res hatte noch nie von diesem W an d teppich gehört, aber da er nie nachgeah m t und wiederholt worden war, wunderte sie das nicht. Ihre Neugier er w achte. » W arum vollendest du ihn nicht ? « fragte sie und set z te ha s tig hinzu: » I ch m eine, warum webst du ihn nicht noch ein m al, als ein zweites Stück, und bringst ihn zu einem Ende? Dann könnte dir nie m and vorwerfen, etwas verfälscht zu haben, und gleichzeitig hättest du etwas Neues geschaffen.«
    »Das würde ich gerne«, seufzte Pallas, »doch nie m and weiß, was m it dem Verlore n en Kaiser gesc h a h . Ich kenne alle W ebstücke, die sich m it der Geschichte Phantás i ens beschäftigen, und kein anderes stellt ihn dar. Und solange ich nic h t weiß, was geschah, kann ich den Teppich auch nicht zu einem Ende b r ingen.«
    Ein Ziehen um ihren Ringfinger m a chte Res darauf auf m erksam, dass sie begonnen hatte, sich die Seidenfäden um die Hände zu wickeln, hin und her, quer und lang, in Häkchen und Knoten. Ein Glück, dass Pallas nicht sehen kon n te; Seide war kostbar und nic h t f ür dergl e i c hen Spiel e r e ien gedac h t.
    »Mir hat nie je m and vom Verlore n en Kaiser erzä h lt«, s a gte sie halblaut. »Ich dachte, die Kindliche Kaiserin ha b e uns im m er regi e rt. Gab es denn vor ihr einen anderen im Elfenbeintur m ? «
    »Nein«, entgegnete Pallas, und ihre weiße, feste Hand legte sich auf Res’ unruhige Finger, die versuchten die Seide wieder zu entwirren. Schuldbewusst hielt Res inne, a b er sagte nic h ts. Stattdes s en löste sie die Knoten Stückchen für Stück c hen auf. »Die Kindliche Kaiserin erscheint e b enfalls auf jenem Tepp i ch. Der Verlorene Kaiser kam zu ihr a u s ei ne m anderen Reich, zu einer Zeit, a ls sich Pha n tásien in großer Gefahr befand. Er rettete Phantásien und dann verschwand er.«
    »Viell e icht ist er in seine Hei m at zurückgeke h rt ? «, schlug Res vor.
    Pallas sch ü ttelte d en K op f . »Nein. Er kam als Flüchtling nach Phantásien. Die W eberin, die seinen Teppich geschaffen hat, benutzte Tränenblau, um ihn darzustell e n, und du weißt, was das bedeutet.« Tränenblau war so selten, dass es nur verwendet wurde, um die Last ein e r fürcht e rlich e n Schuld zu beschrei be n. Die Irrli c hter, die das versch w undene Volk der Habubi in den Su m pf der Traurigkeit geführt hatten, die drei Brüder, die den Allerhöchsten Schwur geleistet und dann gebrochen hatten d a s waren die einzigen Res bekannten W esen, die auf Teppichen m it Tränenblau gewebt, gestickt oder geknüpft worden waren. Sie nickte, bis ihr ein f iel, dass Pallas eine andere Bestätigung brauchte.
    »Das weiß ich. Aber wenn er so etwas Fürchterliches getan hat, wie konnte er dann ein H eld sein und Phantásien retten?«
    »Vor der Kindlichen Kaiserin gelten alle gleich « , entgegnete Pallas in sachlichem Tonf a ll. » W as dir und m ir abscheulich erscheint, ist für s ie n icht anders als die r üh m enswerteste Lebensweise. M i ch wundert es nicht, dass s i e einen Retter nach P h antásien rie f , der in seinem Reich anscheinend verhasst war.«
    Res dachte an die Sorgen, die s i e sich um Lesterfeld und die übrigen Trossreisenden m achte, und an den Zorn, den sie auf die Gilde e m pfand. S i e konnte sich nicht vorstellen, je m anden wie Lesterfeld, der sein Leben lang ge w i ss nur Gut e s getan hatte, auf eine Stufe m it den Gilde m itgliedern zu stellen, die bereit gewesen waren, ihn und die anderen in den Tod ziehen zu lassen, um i hre
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