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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Vorwort

    Wir
schreiben das Jahr 1399

    Nachdem aus
einer kleinen Gruppe von kriegerischen Ghazis –
ehemaligen Vasallen der Seldschuken im Herzen Anatoliens – das
mit gefährlicher Geschwindigkeit wachsende Osmanische Reich
geworden ist, befindet sich die Stadt Konstantinopel (das frühere
Byzanz) am Abgrund. Im Sommer des Jahres hat Sultan Bayezid I., von
seinen Untertanen Bayezid Yilderim – der Blitz –
genannt, einen Belagerungsring von 10 000 Mann um die Stadt gezogen,
die Getreideversorgung vom Meer aus abgeschnitten und die an der
engsten Stelle des Bosporus gelegene Festung Güzelce Hisar verstärkt. Sein Ruf als gefürchteter Kriegsherr lässt
die Eingeschlossenen bangen. Seit der vernichtenden Niederlage der
Christen, bei der drei Jahre zuvor bei Nikopolis ein Kreuzfahrerheer
nahezu komplett ausgelöscht worden ist, hat sich der
Machtbereich des Sultans beängstigend ausgeweitet. Nichts
scheint seinen Vormarsch aufhalten zu können, ja er geht sogar
so weit, besorgten Gesandten aus Europa gegenüber damit zu
prahlen, dass er schon bald sein Pferd am Altar des Petersdoms
tränken wird.
        Kurz
bevor sie den Kaisersitz Konstantinopel einnehmen können, werden
die Osmanen von der Ankunft einer Hilfstruppe aus Frankreich, Genua
und Venedig überrascht und davon abgehalten, die Mauern zu
stürmen. Hoch erfreut über den unerwarteten Entsatz, folgt
der byzantinische Kaiser Manuel dem Rat eines französischen
Marschalls, seinen Neffen Johannes Palaiologos zum Mitregenten
einzusetzen, da dieser starken Rückhalt in der Bevölkerung
besitzt. Denn für viele Einwohner Konstantinopels ist Johannes
der rechtmäßige Erbe des Kaiserthrones. Nachdem dieser
aufgrund der anhaltenden Thronstreitigkeiten mit seinem Onkel bei
Bayezid Unterschlupf gesucht hat und unentwegt gegen Manuel
intrigiert, erscheint es geraten, ihm ein Friedensangebot zu
unterbreiten, das der Jüngere schließlich auch annimmt.
Das Blatt scheint sich zu Gunsten des Kaisers zu wenden. Doch dann
gehen dem französischen Marschall ohne Vorwarnung die Mittel
aus, und ohne Sold verlieren seine Soldaten über Nacht ihren
Kampfwillen. Ausgesaugt durch die jahrelangen Tributzahlungen an den
osmanischen Sultan und die Seeblockaden, welche dieser immer wieder
errichtet, bleibt Manuel nichts anderes übrig, als seinen Neffen
zu seinem Stellvertreter zu ernennen und zu einer Bettelreise nach
Europa aufzubrechen.
        Bayezid
wittert Blut. Da er allerdings weiß, dass er die Stadt ohne
Ausbau seiner Flotte nicht gegen die Europäer halten kann,
wendet er sich immer öfter den Freuden seines Harems in Bursa zu, während die Belagerung vor sich hindümpelt.
Früher oder später werden die ihm ohnehin positiv
gesonnenen Einwohner der Stadt ihm die Tore öffnen –
dessen ist er sich sicher. Nicht umsonst hat er Spione in
Konstantinopel, das seine Landsleute Istanbul nennen. Er wiegt sich
in Sicherheit, denn vor den europäischen Mächten braucht er
sich nicht zu fürchten. In England hat Heinrich IV König
Richard II abgesetzt und sich gewaltsam des Thrones bemächtigt,
was zu den lange andauernden Rosenkriegen führt. Der Herzog von
Burgund und der Herzog von Orleans streiten sich um die Regentschaft
in Frankreich und die Kirche ist gespalten – ein Papst
residiert in Rom, ein zweiter in Avignon. Die von den Dominikanern
getragene Inquisition verbreitet allerorts Angst und Schrecken, die
Furcht vor Hexen und Dämonen ist beinahe ebenso gewaltig wie die
Sorge vor dem Zurückkehren der Pest. Lediglich Venedig und Genua
zeigen Interesse am Schicksal Konstantinopels; und diese Seemächte,
so weiß Bayezid, werden sich letztendlich auf die Seite
desjenigen schlagen, der ihnen mehr Profit verspricht. Denn der
Handel umspannt und beherrscht die im Neuentstehen begriffene
mittelalterliche Welt: Im Norden blüht der Ostseehandel der
Hanse, im Süden kontrollieren Genua und Venedig den Warenverkehr
aus dem Orient. In Florenz und Mailand entwickeln sich Banken und
Versicherungen und die bargeldlose Zahlung per Scheck wird ebenso
gang und gäbe wie das Gewähren von Überziehungskrediten
und das Ausstellen von Wechseln. Kurzum, wer den Handel kontrolliert,
kontrolliert die Welt.
        Es
scheint also, als stünden die Sterne des Sultans günstig.
Der halbherzige Widerstand, der ihm entgegengesetzt wird, dient mehr
dem Amüsement als dem Verdruss, und er sieht sich schon als
Herrscher des gesamten Mittelmeerraumes. Nicht nur ist ihm bereits
ein Großteil des
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