Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
war. Was für ein Esel er doch war!
Allein die Tatsache, dass Otto nicht einmal ein halbes Dutzend Pferde
auf dem größten und wichtigsten Markt der Region erstanden
hatte, hätte ihm ein Hinweis sein sollen!
        Mit
einem Räuspern schob er Otto hastig in Richtung Ausgang zurück,
damit diesem die vielen unbesetzten Boxen am Ende der Gasse nicht
noch mehr Verdruss bereiten konnten. Denn da er selbst immenses Glück
mit den Verkäufen gehabt hatte, stand ein Großteil des
Stalles leer. »Ich sehe weit und breit keine Koppel«,
nahm Otto das Gespräch wieder auf. »Wo weidet Ihr Eure
Tiere?« Erleichtert über den versöhnlichen Ton seines
Onkels hob Falk die Schultern und lachte. »Vor den
Stadtmauern«, erwiderte er. »Dort miete ich mir jedes
Jahr von einem der Klöster oder dem Rat die Weidefläche,
die nötig ist.« Sie hatten das Stalltor erreicht. »Nur
im Winter ist die gesamte Zucht hier untergebracht.« Otto
nickte und blickte sich im Hof des riesigen Anwesens um. »Ihr
müsst sehr erfolgreich sein«, versetzte er ein wenig
bissig, da die Überreste der Hofmauer zu seiner Linken deutlich
machten, dass hier zwei Grundstücke zu einem zusammengeschlossen
worden waren. »Es geht«, wehrte Falk bescheiden ab und
griff dankbar nach der Gelegenheit, von seiner Zucht abzulenken. »Das
Haus gehörte meinem Großvater, Ulrich von Ensingen«,
erklärte er und wies auf das zweistöckige Gebäude,
dessen Obergeschoss ockerfarbenes Fachwerk zierte. »Das
Nachbarhaus habe ich abreißen lassen, um Platz für die
Ställe zu gewinnen.« Er verstummte, als Otto mit
gerunzelten Brauen Gärten, Badehaus, Brunnen und Waschstube
begutachtete. Hatte er etwa schon wieder etwas falsch gemacht?,
fragte er sich bang. »Lasst uns hineingehen«, schlug er
deshalb vor, als Otto Anstalten machte, auf das zweite Stallgebäude
zuzusteuern. »Marthe hat sicher schon den Kamillenschnaps
bereitgestellt.«

Kapitel 2
     
    Zwei
Gefühle beherrschten Otto von Katzenstein, als er endlich nach
einem nicht enden wollenden Abend geheuchelter Freundlichkeiten die
Tür der geräumigen Gästekammer hinter sich
verriegelte: Zorn und nagender, grenzenloser Neid. Innerlich kochend
ließ er sich auf die weiche Matratze sinken, die seine
Missgunst – genau wie all die anderen Dinge im Haus seines
Neffen – noch anzufachen schien. Anders als auf Burg
Katzenstein wirkte hier nichts abgewetzt oder heruntergekommen. Nein,
alles trug die klare Handschrift makelloser Haushaltsführung und
ausreichender Geldmittel! Mit einem Schnauben wischte er sich über
die Lippen, die immer noch prickelten von dem ungewohnten Genuss des
kostbaren Clarets. Sogar eine Feuerstelle gab es in dem Schlafgemach,
dessen Wände ein geschmackloses Andachtsbild und ein
überdimensionales Kruzifix zierten. Wütend streifte Otto
sich die drückenden Schnabelschuhe von den Füßen,
schlüpfte aus Rock und Hose und ließ alles auf den sauber
gefegten Steinboden fallen. Am liebsten hätte er in seinem Zorn
das Schwert gezückt und den Baldachin des Bettes zerstückelt,
um danach die Einrichtung kurz und klein zu schlagen. Eine Woge des
Hasses spülte über ihn hinweg, als er sich ausmalte, was er
anfangen könnte, wenn all diese Kostbarkeiten ihm gehörten.
»Dieser vermaledeite kleine Mistkerl!«, fluchte er so
laut, dass ihn zweifelsohne jemand gehört hätte, wenn die
anderen beiden Räume neben seiner Kammer nicht unbewohnt gewesen
wären. Da der Verwalter über der Küche schlief, und
sein Neffe in einem Gemach am anderen Ende des Korridors verschwunden
war, hätte er vermutlich lauthals singen können, ohne
jemanden zu stören. »Dieser dreckige Dieb«, zischte
er, während er aufgebracht an dem Siegelring an seiner Rechten
drehte. Dem gleichen Ring, den dieses Ergebnis schmutziger Hurerei so
schamlos entweihte! Dachte der Bursche vielleicht, dass er dadurch
oder durch das nachgemachte Wappen auf seiner Brust zu einem
Katzensteiner wurde?! Er ballte die Hände zu Fäusten.
        Warum
hatte Ottos Vater, Wulf von Katzenstein, auch so dumm sein müssen?
Welcher Teufel hatte den alten Haudegen geritten, als er seinem
Bastard – dem Vater dieses Emporkömmlings Falk –
eine Summe vermacht hatte, die Otto noch immer die Tränen in die
Augen trieb? Aufgebracht starrte er in die Flammen des Feuers, das
den Raum mit erstickender Wärme erfüllte. Ohne diese
Torheit würde er selbst, Otto von Katzenstein, jetzt nicht am
Rande des Ruins stehen! Das war es jedenfalls, was er sich seit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher