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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans
Autoren: Silvia Stolzenburg
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dem
Verlust von Ernte und Zucht im vergangenen Herbst einzureden
versuchte. Eine Zeit lang betrachtete er die zerplatzenden
Buchenscheite und beobachtete, wie die Flammen sie Stück für
Stück auffraßen, während ihm immer klarer wurde, wer
die Schuld an seinen Sorgen trug. Diese Verführerin und
Schlange, die seinen Vater dazu getrieben hatte, Ehebruch mit ihr zu
begehen – und einen Spross zu zeugen, dessen Ableger drohte,
den Stamm zu ersticken, dem er entwachsen war! Blinzelnd wandte er
sich vom Spiel des Feuers ab und fuhr sich durch den blonden Schopf,
den er sich am liebsten büschelweise ausgerissen hätte.
Denn als wäre es nicht genug, dass der Bengel ihm das Erbe
streitig gemacht hatte, war er seinem Großvater – Ottos
Vater – zudem noch wie aus dem Gesicht geschnitten. Ottos
schlanke Finger wanderten weiter zu dem dünnen Bart, der seine
roten Wangen bedeckte. Wie oft er sich gewünscht hatte, Wulf von
Katzensteins kantigen Kiefer und energisches Kinn geerbt zu haben
anstatt die herzförmigen, weichen Züge seiner Mutter! Ein
grimmiger Ausdruck trat in die wasserblauen Augen und sein Mund
verzog sich zu einer harten Linie. Es war beinahe als wolle die Natur
ihn verspotten. Mühsam rang er den Zorn nieder. All das würde
bald nicht mehr von Bedeutung sein! Denn während des
demütigenden Schauspieles bei Tisch hatte Otto die Schwäche
ausgemacht, die dem Burschen den Hals brechen würde.
        Während
er beim Abendessen das Misstrauen des Verwalters mit honigsüßer
Konversation zu zerstreuen versucht hatte, hatte Otto seinen Neffen
mit kühler Berechnung in Augenschein genommen. Und schon bald
herausgefunden, was die Achillesferse des jungen Mannes war, der den
Namen von Katzenstein vor sich hertrug wie einen Schutzschild.
Unbeholfen wie ein staksiges Fohlen hatte der Bengel überdeutlich
signalisiert, wie wichtig ihm die Anerkennung des älteren
Verwandten war. Und obschon der Jüngere alles daran gesetzt
hatte, diesen zu verbergen, war seinem Onkel der beinahe Mitleid
erregende Eifer zu gefallen ins Auge gestochen. Trotz der warnenden
Blicke seines Verwalters, war der Knabe bemüht gewesen, Otto mit
allerhand prahlerischen Geschichten zu imponieren, und schon bald war
ein Plan im Kopf des Ritters gereift, dessen Raffiniertheit ein
Lächeln auf sein Gesicht zauberte. Formbar wie Wachs, dachte
Otto mit grimmiger Zufriedenheit. Verletzt und verunsichert durch den
Tod seiner Eltern hatte sich der Bursche geradezu peinlich
angebiedert, hatte Otto nachgerade angefleht, ihn als
Familienmitglied zu akzeptieren. Deutlich war die Bewunderung in den
unerfahrenen Zügen zu lesen gewesen, als der Junge Ottos Schwert
neidisch beäugt hatte. Diese offensichtliche Verklärung des
Ritterstandes und die ungezügelte Abenteuerlust der Jugend
würden ihn zu Fall bringen. Ein bitterer Geschmack stieg in ihm
auf und vertrieb die Genugtuung so schnell, wie sie gekommen war.
Ritter! Mürrisch warf er das Kissen an die Kopfstütze, um
sich mit dem Rücken dagegen zu lehnen. Als ob dieses Wort in
Zeiten der Städtebünde und Adelsgesellschaften noch viel
zählte! Nicht einmal einen Knappen konnte er sich mehr leisten,
geschweige denn ein Gefolge wie seine reichen Standesgenossen. Er
schnaubte verdrossen und wischte den Gedanken beiseite, bevor er sich
zum wohl tausendsten Mal fragen konnte, ob es nicht klüger
gewesen wäre, bereits vor Jahren der Gesellschafft
mit Sankt Wilhelm des Grafen
von Helfenstein beizutreten, anstatt allein sein Glück gegen
Plünderer, Wurmseuchen, Missernten, Söldner und die
gierigen Städter zu versuchen. Sein niedergetrampelter Stolz
reckte sein Haupt. Nein. Wie viel süßer würde der
Erfolg schmecken, wenn er dadurch zustande kam, dass er sich sein
rechtmäßiges Erbe zurückholte!

    *******

    Der Schrei,
mit dem Falk aus dem Schlaf aufgefahren war, hing noch im Raum. Mit
rasendem Herzen befreite er sich von dem um seine Knöchel
gewickelten Laken, kämpfte sich in eine aufrechte Position und
atmete keuchend aus. Hustend versuchte er, den beißenden Rauch
aus Nase und Lungen zu vertreiben. Doch wie immer, wenn er diesen
Traum hatte, verblasste der Gestank zu der Erinnerung, die er war.
Stöhnend schwang er die Beine aus dem Bett, stemmte die
Ellenbogen auf die Knie und vergrub das schweißnasse Gesicht in
den Händen. Noch immer schwebte der schreckliche Alb vor seinen
Augen – beinahe als habe Falk ihn durch sein Erwachen aus dem
Gefängnis der Traumwelt befreit. Schaudernd presste er
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