Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Balkans und Anatoliens untertan, sondern auch
weite Streifen Griechenlands, die er mit Türken besiedelt,
nachdem die Bevölkerung nach Anatolien deportiert worden ist.
Alles deutet darauf hin, dass er schon bald den Schritt wagen kann,
weiter nach Europa vorzustoßen. Doch da begeht er den Fehler,
sein Gebiet im Osten nach Kleinasien ausdehnen zu wollen, wo der
tatarische Nachfolger Dschingis Khans, Timur Lenk, ähnliche
Eroberungsgedanken hegt. Anstatt dem mongolischen Herrscher aus dem
Weg zu gehen, provoziert Bayezid diesen, verhöhnt ihn in Briefen
und unternimmt alles, um den Zorn des mächtigen Khans auf sich
zu ziehen. Es kommt zum Kampf der Giganten, der die Karten im Orient
für einige Jahrzehnte neu mischt …

Prolog
     
    Konstantinopel,
Blachernen-Palast, Dezember 1399
     
    Der Himmel
über den Dächern des Kaiserpalastes wirkte, als habe ihm
jemand eine Wunde geschlagen. Blutrot zog sich ein zwischen den
Unheil verkündenden Wolken klaffender Spalt von Osten nach
Westen, wo in diesem Moment die Sonne hinter dem Horizont versank.
Irritiert von den letzten, gleißend von den aufgepeitschten
Wogen des Goldenen Horns zurückgeworfenen Strahlen rieb sich
Johannes Palaiologos das linke Auge, das die Blendung vor dreizehn
Jahren wie durch ein Wunder unbeschadet überstanden hatte.
Leiser Groll keimte in ihm auf. Wie immer, wenn sein Onkel Manuel,
der Kaiser von Konstantinopel, die leicht weinerliche Stimme erhob,
kehrten die Erinnerungen an jene schicksalhafte Nacht zurück.
Zuerst schleichend, doch dann meist mit solcher Gewalt, dass er
vermeinte, das verbrannte Fleisch seines Vaters genauso riechen zu
können wie damals. Ein Würgen machte ihm die Kehle eng. Der
Versuchung widerstehend, seine Gedanken zu verraten, indem er die
tote rechte Seite seiner Wange rieb, wandte er das versteinerte
Gesicht den übrigen Anwesenden zu und zwang sich, tief und
gleichmäßig zu atmen. Während hinter ihm die Wellen
gegen die hoch aufragende Seemauer brandeten und diese weiter
unterspülten, ließ er den Blick zu den überladenen
Mosaiken schweifen, welche die Privatgemächer des Kaisers
schmückten. Wenn der Umsturzversuch gelungen wäre, wäre
all diese Pracht jetzt sein, und nicht die Manuels.
        »Die
Harmonie des Kosmos ist gefährdet wie nie.« Die Stimme des
in lächerlich protzige Gewänder gekleideten Sterndeuters
verklang hohl in dem von zu vielen Kohlebecken geheizten Raum. Die
auf diese Ankündigung folgende Stille schien ihre Bedeutung zu
verstärken. Mit abfällig geschürzten Lippen verfolgte
Johannes, wie der Astrologe die spinnenartigen Finger über die
silbernen Stickereien auf den Ärmeln seines Mantels gleiten
ließ. Wie von einem betrunkenen Gaukler durch die Luft
gewirbelt, tanzten dort Sonne, Mond, Mars und Venus um die im Zentrum
der Welt gelegene Erde, die den Lauf der Planetenbahnen zu dirigieren
schien. »Kommt und seht«, raunte der grauhaarige Seher
und führte das halbe Dutzend Männer zu genau dem
übermannshohen Fenster, von dem Johannes eben erst
zurückgetreten war. Obwohl nicht mehr als ein paar Minuten
vergangen sein konnten, tauchten bereits die ersten blassen Sterne in
den Lücken zwischen den Wolken auf, und ein rötlicher Mond
zeigte sein Gesicht. »Die Zeichen stehen schlecht«, fuhr
der Mann fort und wies mit großer Geste auf den Abendstern, an
dem Johannes nichts Ungewöhnliches entdecken konnte. »Erde,
Wasser, Luft und Feuer sind nicht mehr im Einklang. Die Ordnung ist
gestört. Wenn Ihr nichts unternehmt, wird die Welt wieder im
Chaos versinken. Mars und Saturn sind in Konjunktion.«
Wenngleich er den Kerl für einen Scharlatan hielt, beschlich
Johannes ein ungutes Gefühl, da selbst er wusste, dass dies Tod
bedeutete. Er verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln.
Andererseits konnte es sich auch um Manuels Ende handeln, da dieser
angekündigt hatte, eine Reise nach Europa zu unternehmen, um die
Italiener, Franzosen und Engländer um Hilfe anzubetteln. Als ob
diese das Schicksal der Einwohner Konstantinopels interessieren
würde! Er verkniff sich ein Schnauben, da er spürte, dass
der Kaiser ihn unter gesenkten Lidern betrachtete. Es musste in der
Tat schlecht stehen, dachte er, während er geheuchelt
nachdenklich den Saum seines Gewandes betrachtete, um den Anschein
von Demut zu erwecken. Denn ansonsten würde sein Onkel niemals
das Risiko eingehen, ihm in seiner Abwesenheit die Regentschaft
anzuvertrauen. »Ich baue auf deine Loyalität«,
zischte Manuel, der lautlos
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher