Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
des Katzensteiner Ritters seinen noch ungewohnten Mannesstolz
weggefegt wie der Wind die Wolken am Himmel. Nervös nestelten
seine Finger an dem teuren Tuch seines Umhanges, während er
darauf wartete, dass der Ältere seinem ungeschliffen
vorgebrachten Angebot zustimmte. Als handle es sich um ein Brennglas,
welches die stechende Maisonne bündelte, spürte er die
prüfende Betrachtung des Ritters auf seiner Haut. Unwillkürlich
ließ er die Hände zurück an die Seiten fallen und hob
das Kinn, um nicht zu wirken wie ein gescholtener Knabe. Auf keinen
Fall wollte er den Eindruck vermitteln, ein Bauerntölpel zu
sein! Ein heißer Atemhauch in seinem Nacken ließ ihn den
Kopf wenden. Dankbar über die Ablenkung, tätschelte er dem
zweijährigen Wallach, der ihn über das Koppelgatter hinweg
in die Schulter stupste, die Nase. Er wollte gerade in seinen Taschen
nach einem Leckerbissen für das Tier suchen, als sich die
blutleeren Lippen seines Gegenübers zu einem dünnen Lächeln
teilten. »Warum eigentlich nicht?«, erwiderte dieser
endlich und hob die Rechte, um Falk von Katzenstein steif die Hand zu
reichen. »Man lernt schließlich nicht jeden Tag seinen Neffen kennen.«
Ein aufmerksamerer Zuhörer hätte aufgehorcht, doch Falk von
Katzenstein war zu sehr damit beschäftigt, das Schwellen seiner
Brust vor seinem Verwandten zu verbergen. »Ich bin sofort
wieder bei Euch«, versprach er, wandte sich ab und stieß
einen gellenden Pfiff aus. Als daraufhin ein graumelierter Schopf am
anderen Ende der Koppel auftauchte, setzte er geschickt über den
Zaun und trabte auf seinen Verwalter zu. »Lutz«, stieß
er atemlos hervor, als er vor dem sehnigen Mann zum Stehen kam. »Kann
ich dir den Rest überlassen?« Sein Blick glich dem eines
Welpen, und der schlanke, mit einem groben Rock bekleidete Verwalter
lachte. »Wie könnte ich dir etwas abschlagen, wenn du mich
so darum bittest«, scherzte er und fuhr sich mit einer von
Adern überzogenen Hand durch die dünner werdenden, grauen
Locken. »Immerhin bezahlst du mich ja auch dafür.«
Das Grinsen auf seinem wettergegerbten Gesicht wich für den
Bruchteil eines Momentes einem Schatten der Trauer. Doch als auch
Falks Züge sich bewölkten, setzte er rasch scherzend hinzu:
»Wie heißt denn die Glückliche?«
        Falks
Mund öffnete sich zum Protest. Aber als er das Funkeln im Blick
des anderen sah, verzog er das Gesicht. »Wann wirst du endlich
damit aufhören, mich andauernd zu foppen?«, fragte er mit
einem Kopfschütteln. »Nur weil du jetzt nicht mehr mein
Vormund bist, bedeutet das noch lange nicht, dass du mich mit jedem
Rock verkuppeln musst. Vor allem, wenn nicht mal einer in der Nähe
ist!« Er wies mit dem Kinn über die Schulter, wo der
Ritter mit hochmütiger Miene das Abbauen des Standes verfolgte.
»Du wirst es nicht glauben, aber dieser Mann dort ist mein
Onkel.« Als Lutz der Kiefer hinabfiel, lächelte er schief,
wurde jedoch sofort darauf wieder ernst. »Warum hat Vater mir
nie gesagt, dass er einen Bruder hat?«, fragte er – den
Schmerz unterdrückend, der sich in sein Herz bohrte. »Noch
dazu einen, der Pferde züchtet, genau wie er es getan hat.«
Er schluckte den Klumpen in seiner Kehle und zwang sich, nicht an das
zu denken, was vor dreizehn Monaten seinem bisherigen Leben ein Ende
bereitet hatte. Lutz zuckte die Achseln. »Dein Vater wird seine
Gründe gehabt haben«, murmelte er und beäugte den
flachsblonden Besucher, der scheinbar gelangweilt an seinen
Fingernägeln kaute. »Ich habe ihm angeboten, ein paar Tage
bei uns zu wohnen«, erklärte Falk. »Er hat noch
einige Dinge in der Stadt zu erledigen.« Für die er
hoffentlich eine Weile benötigt, setzte er in Gedanken hinzu.
Auf keinen Fall wollte er den Verwandten, den er gerade erst
kennengelernt hatte, gleich wieder verlieren. Irgendwie spendete ihm
die unverhoffte Begegnung Trost, gab ihm das Gefühl, dass der
Verlust, den er erlitten hatte, nicht ganz so unwiederbringlich war.
Froh darüber, dass Lutz’ Aufmerksamkeit auf den Ritter
gerichtet war, rieb er sich heimlich die Augen. Ob die Leere in
seiner Brust irgendwann aufhören würde, sich auszubreiten?
Mit einem Seufzen wandte er sich ab und machte Anstalten, zu seinem
Onkel zurückzukehren. »Sieh’ dich vor«, warnte
Lutz unvermittelt und hielt ihn am Ärmel seines Rockes zurück.
»Irgendetwas an ihm gefällt mir nicht.« Er runzelte
die Brauen, während er verfolgte, wie der Katzensteiner die Arme
verschränkte und sich mit dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher