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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans
Autoren: Silvia Stolzenburg
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hinter ihn getreten war, ihm ins Ohr als
habe er seine Gedanken gelesen. »Hier geht es nicht mehr um
dich oder mich, sondern um das Schicksal des Reiches.«
        Mit
einem Laut, der einem Knurren glich, hob Johannes den Kopf und
blickte seinem Onkel direkt in die Augen. »Ihr braucht Euch
nicht zu sorgen. Ich werde Bayezid nicht die Tore öffnen.«
Er wies mit dem Kinn auf das Dutzend Wachen, das die Eingänge
sicherte. »Sicherlich hätten einige Eurer Getreuen da auch
noch ein Wörtchen mitzureden.« Um den Worten die Schärfe
zu nehmen, verneigte er sich tief und versuchte, das Gefühl des
Triumphes zu ersticken, das ihm die Brust zu sprengen drohte. Wenn
die Stadt endlich ihm gehörte, würde es ein Leichtes sein,
die hungernde Bevölkerung davon zu überzeugen, dass es
besser wäre, sich dem Turban des Sultans zu unterwerfen als der
Tiara des Papstes. Zweifelsohne fürchteten viele Einwohner
Konstantinopels, dass Hilfe aus Rom teuer mit einer Kirchenunion
erkauft werden musste. Geschickt eingefädelt konnte es ihm
gelingen, den Widerstand innerhalb der Palastmauern auszuhebeln und
seinen Onkel mithilfe des Volkes zu entmachten – genauso wie
sein Onkel ihn entmachtet hatte! Denn seit Manuel vor fünf
Jahren den Zorn des mächtigen osmanischen Sultans Bayezid auf
sich gezogen hatte, indem er ihm die Tributzahlungen verweigert
hatte, war es zu mehreren Aufständen gekommen. Durch die
anhaltende Seeblockade, die nahezu sämtliche Getreidelieferungen
aus Venedig abschnitt, hungerten die Menschen, ganz zu schweigen von
den Krankheiten, die aufgrund der mangelnden Frischwasserversorgung
grassierten. Johannes rieb sich das Kinn. Er würde nicht als
Narr in die Geschichte eingehen! Nicht wie Manuel, der sich zum
Bittsteller erniedrigte, obwohl er als Kaiser befehlen konnte. Wie
weitsichtig es von ihm gewesen war, vor zwölf Jahren die
Gelegenheit zu nutzen, ein zweites Eisen ins Feuer zu legen. Die
Erinnerung an den Empfang, den der mächtige Bayezid Yilderim ihm bereitet hatte, als er
seine damals einjährige Tochter mit ihm vermählt hatte,
ließ Johannes hoffen, den unabwendbaren Fall der Stadt
unbeschadet zu überstehen. Wenn das Schicksal tatsächlich
beschlossen hatte, Konstantinopel zu vernichten, dann würde er,
Johannes Palaiologos, gewiss nicht zu den Verlierern gehören!

Kapitel 1
     
    Ulm,
Frühjahr 1400
     
    »Es
wäre mir eine Ehre, wenn Ihr meine Gastfreundschaft annehmen
würdet.« Das Lächeln verlieh den ohnehin offenen
Zügen Falk von Katzensteins etwas Unwiderstehliches. Beinahe
bittend breitete er die Hände aus, um zu unterstreichen, wie
ernst er es meinte. Die Aufregung über die unverhoffte Begegnung
hatte zwei rote Flecken auf seine Wangen gemalt, und in den
leuchtenden Augen lag ein Ausdruck, der seinem Gegenüber
deutlich signalisierte, wie verletzbar der unverhohlene Stolz war.
Unbewusst betastete der Jüngling das auf seiner Brust
aufgestickte Wappen, das dem buckelnden Kater auf dem Wappenrock des
Angesprochenen zum Verwechseln ähnlich war. Gold- und
Silberfäden schimmerten im warmen Licht der hereinbrechenden
Dämmerung, die nach der Hitze des Tages auch endlich etwas
Abkühlung brachte. Verstohlen wischte sich der junge Mann die
Hände an den schmutzigen Hosen ab und befeuchtete die trockenen
Lippen. Ein Windstoß zerzauste ihm den dunklen Schopf, und der
schwere Geruch von Pferdeschweiß stach ihm in die Nase. Auf dem
von Hufen und Stiefeln aufgewühlten Gelände vor den
Stadtmauern Ulms tummelten sich Knechte, Besitzer und die letzten
Käufer. Doch schon bald würde von dem einwöchigen
Spektakel des Pferdemarktes nichts mehr zu sehen sein außer ein
paar Haufen Mist. Kunterbunt beflaggte Rundzelte wurden ebenso auf
Karren verladen wie Geldkassetten, Holzstangen und Leder zur
Herstellung von Sätteln und Zaumzeug. Bis an die Zähne
bewaffnete Männer flankierten die reicheren Händler, die
den Teil ihrer Zucht, den sie nicht verkauft hatten, in Dreiergruppen
zusammenkoppelten. Das Wiehern der Tiere vermischte sich mit den
meist gebrüllten Befehlen und dem Klirren der Schmiedehämmer.
        Scheu
harrte der Knabe auf eine Antwort des Ritters, während er wie
Hilfe suchend die Augen über den halb abgebauten Stand zu seiner
Linken wandern ließ. Als er sein Spiegelbild in einem der auf
Hochglanz polierten Sattelbeschläge erblickte, senkte er hastig
die Lider. Wohingegen er sich noch vor weniger als einer halben
Stunde erfolgreich und erwachsen gefühlt hatte, hatte die
Ankunft
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