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Blutvertrag

Blutvertrag

Titel: Blutvertrag
Autoren: D Koontz
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    Wenn eine Eintagsfliege über einen Tümpel gleitet, hinterlässt sie nur eine kurze Spur im Wasser, fein wie Spinnweben. Indem sie so tief fliegt, entgeht sie Vögeln und Fledermäusen, die im Flug jagen.
    Mit seinen ein Meter neunzig, einem Gewicht von fünfundneunzig Kilogramm, großen Händen und noch größeren Füßen konnte sich Timothy Carrier nicht in so geringer Höhe bewegen wie eine übers Wasser gleitende Eintagsfliege, aber er versuchte sein Bestes.
    Mit schweren Arbeitsstiefeln und einem John-Wayne-Gang, der ihm angeboren war und den er nicht ändern konnte, betrat er dennoch unauffällig die Lamplighter Tavern und gelangte bis ans andere Ende des Raums, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Keiner der drei Männer in der Nähe der Tür, an der kurzen Seite der L-förmigen Theke, würdigte ihn eines Blickes. Ebenso wenig die Pärchen, die in zwei der Nischen lümmelten.
    Als er sich auf dem letzten Hocker dort niederließ, wo es jenseits des letzten Deckenstrahlers, der das dunkle Mahagoni der Theke zum Glänzen brachte, schummerig war, seufzte er erleichtert. Von der Eingangstür aus gesehen, war er nun der kleinste Kerl im Raum.
    Betrachtete man das vordere Ende der Kneipe als Führerstand einer Lokomotive, so war dies der letzte Wagen. Wer sich hier an einem ruhigen Montagabend niederließ, war wahrscheinlich einer von der stillen Sorte.
    Liam Rooney, der Wirt und heute Abend der einzige
Mann hinter der Theke, zapfte ein Bier und stellte es Tim hin.
    »Irgendwann wirst du hier mal mit ’ner Verabredung aufkreuzen«, sagte Rooney, »dann trifft mich vor Schreck der Schlag.«
    »Wieso sollte ich in diese Bruchbude wohl eine Frau mitschleppen? «
    »Kennst du denn noch was anderes als diese Bruchbude? «
    »Da gibt’s auch noch den Donut-Schuppen, wo ich gern hingehe.«
    »Na, klar. Nachdem ihr beide ein Dutzend Donuts verputzt habt, fährst du mit ihr zu einem von den großen, teuren Restaurants in Newport Beach, wo ihr euch auf den Bordstein hockt und zuschaut, wie die Pagen mit den ganzen schicken Schlitten rumrangieren.«
    Tim nippte an seinem Bier, während Rooney über die ohnehin saubere Theke wischte. »Du hast Glück, dass du so jemanden wie Michelle gefunden hast«, sagte Tim schließlich. »So was stellen sie heute nicht mehr her.«
    »Michelle ist dreißig, genauso alt wie wir beide. Wenn man so was heute nicht mehr herstellt, wo ist sie dann wohl hergekommen?«
    »Ist mir ein Rätsel.«
    »Um gewinnen zu können, muss man erst mal mitspielen«, sagte Rooney.
    »Tu ich doch.«
    »Alleine mit dem Basketball in den Park zu trotten, um am Korb Zielübungen zu machen, ist kein Spiel.«
    »Mach dir um mich bloß keine Sorgen. Die Frauen rennen mir regelrecht die Bude ein.«
    »Schon möglich«, sagte Rooney, »aber sie kommen zu zweit und wollen dir von Jesus erzählen.«
    »Da ist doch nichts dagegen zu sagen. Die machen sich eben Sorgen um meine Seele. Sag mal, hat dir schon mal jemand
gesagt, dass du ein ganz schön sarkastisches Arschloch bist?«
    »Du. Mindestens tausendmal. Ich krieg es nie über, das zu hören. Übrigens, vorhin war ein Typ hier, vierzig Jahre alt, nie verheiratet gewesen, und jetzt hat man ihm die Eier abgeschnitten.«
    » Wer hat ihm die Eier abgeschnitten?«
    »Irgendwelche Ärzte.«
    »Krieg doch mal raus, wie die heißen«, sagte Tim. »Bei einem von denen will ich nämlich nicht zufällig landen.«
    »Der Typ hatte Krebs. Die Sache ist nur die – jetzt kann er keine Kinder mehr bekommen.«
    »Was ist so toll daran, Kinder zu bekommen, wenn die Welt so ist, wie sie ist?«
    Rooney sah aus wie ein selbst ernannter Karatekämpfer, der zwar noch kein einziges Mal beim Training gewesen war, aber trotzdem versucht hatte, mit seinem Schädel eine Menge Betonklötze zu zertrümmern. In seinen blauen Augen glomm jedoch ein warmes Licht, und ein gutes Herz hatte er auch.
    »Darum geht es ja gerade«, sagte er. »Eine Frau, Kinder, einen Ort, an dem man sich festhalten kann, während der Rest der Welt vor die Hunde geht.«
    »Methusalem ist neunhundert Jahre alt geworden und hat bis zum Ende Kinder gezeugt.«
    »Das ist aber schon ’ne Weile her.«
    »Ändert nichts an den Fakten.«
    »Das heißt, du willst was tun? – Mit der Familiengründung warten, bis du so an die sechshundert bist?«
    »Du und Michelle, ihr habt ja auch noch keine Kinder.«
    »Wir arbeiten daran.« Rooney beugte sich vor und stützte die verschränkten Arme auf die Theke, sodass er auf
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