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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans
Autoren: Silvia Stolzenburg
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die Lider
aufeinander, doch das schien die hämische Teufelsfratze noch
lebendiger zu machen. Rot wie Blut spannte sich die echsenartige Haut
über einen ausgemergelten Leib, aus dessen Rückseite ein
mit Hörnern bewehrter Kopf wuchs. In seinem Schlund verschwand
eine riesige Schlange, welche ebenso mit pechschwarzen Schuppen
gepanzert war wie die, die dem zweiten Kopf aus dem Ohr kroch.
Messerscharfe Zähne glänzten feucht im Schein des
Höllenfeuers, in dem sich vor Schmerzen brüllende Menschen
wanden. Tief am Grunde des Höllenpfuhls wurden die Verdammten
gegeißelt, zerteilt, mit Pech übergossen und immer und
immer wieder bei lebendigem Leibe verbrannt. Würgende Übelkeit
ließ Falk aufspringen und zu dem offenen Fenster taumeln, wo er
sich mit dem Oberkörper so weit hinauslehnte, dass er Gefahr
lief, den Halt zu verlieren. Zitternd stemmte er die Hände auf
das schmale Sims und rang die Panik nieder, die drohte, ihm die Sinne
zu rauben. Gierig sog er die kühle Nachtluft ein, und bereits
nach wenigen Augenblicken schwand der Schrecken, und sein
unbekleideter Oberkörper überzog sich mit einer Gänsehaut.
        Wann
würde der Traum endlich aufhören, ihn mit der
Regelmäßigkeit einer wiederkehrenden Plage aus dem Schlaf
zu reißen?, fragte er sich, während sich ein pochender
Kopfschmerz hinter seinen Augen ausbreitete. »Ihr Teil ist im
See, der in Feuer und Schwefel brennt: Das ist der Tod, der zweite«,
murmelte er die Worte, welche die grässlichen Bilder in seinen
Verstand gepflanzt hatten. Zwar hatte sich der Priester in Straßburg
durch eine großzügige Spende dazu überreden lassen,
Falks Eltern auf dem Gottesacker beizusetzen, doch änderte dies
nichts daran, dass sie ohne Beichte gestorben waren. Als erwarte er
sich Hilfe von dem mächtigen Himmelskörper, heftete der
junge Mann den Blick der brennenden Augen auf den beinahe vollen Mond
über den Dächern der Stadt. »Was soll ich nur tun?«,
flüsterte er matt, während die Kälte, die sich
allmählich in ihm ausbreitete, ihn frösteln ließ. War
es richtig gewesen, auf Lutz zu hören und nicht in einen Orden
einzutreten? War es wirklich so, wie der alte Freund seines Vaters
immer behauptete? Hatte tatsächlich jeder Mensch nicht nur das
Recht auf sein eigenes Leben, sondern sogar die Pflicht dazu? Er
wischte sich den dunklen Schopf aus der Stirn und zog die Unterlippe
zwischen die Zähne. Sicherlich, er stiftete jeden Monat eine
beträchtliche Summe an die Klöster der Stadt, damit die
Brüder für das Seelenheil seiner verstorbenen Eltern
beteten. Doch nagte immer öfter ein heftiges Schuldgefühl
an ihm, da er nicht selber häufig genug Fürbitte halten
konnte. Würden die Gebete eines Familienmitgliedes die Qualen,
welche die Seelen bis zur Abbüßung ihrer Sündenstrafen
im Fegefeuer erlitten, nicht viel eher lindern als die eines Fremden?
Mit hängendem Kopf wandte er sich vom Fenster ab und tastete
sich im fahlen Licht des Mondes zurück zu seinem Bett. Halt
suchend griff er nach dem aus kostbarem Elfenbein geschnitzten
Kruzifix an seinem Hals und rollte sich auf der klammen Decke
zusammen. Was, wenn das erkaufte Flehen nicht ausreichte, um seinen
Vater und seine Mutter von ihrer Schuld zu befreien? Was, wenn er sie
durch seinen Eigennutz dazu verdammte, auf ewig in die Hölle zu
fahren? Ein verzweifelter Laut fand den Weg über seine Lippen.
Warum hatte der Brand ausgerechnet sie rauben müssen? Was hatten
seine Eltern getan, um Gottes Zorn auf sich zu ziehen? Eine lange
Zeit haderte er mit dem Schicksal, das vor etwas mehr als einem Jahr die Menschen aus seinem Leben gerissen hatte, die ihm mehr bedeutet
hatten als alles andere auf der Welt.
        Als
ihn jedoch nach wenigen Minuten in der Düsternis erneut
Schreckensbilder belagerten, stemmte er sich in die Höhe, schob
sich zur Bettkante und setzte die nackten Füße auf den
Steinboden. Mit schweren Gliedern zog er Hemd und Hose an, wickelte
einen Mantel um die Schultern und schlich auf Zehenspitzen zur Tür.
Auf keinen Fall wollte er seinem Onkel oder einem anderen Bewohner
des Hauses begegnen. Nachdem er einige Herzschläge lang in die
Dunkelheit gelauscht hatte, huschte er an der Stube vorbei die
Treppen ins Erdgeschoss hinab, öffnete die von innen verriegelte
Pforte, die in den Hof führte, und stahl sich auf leisen Sohlen
in eines der Stallgebäude. Dort schlüpfte er in eine leere
Box, wo er sich auf einen Strohballen sinken ließ. Noch etwas,
das er außer dem
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