Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raumfahrergarn

Raumfahrergarn

Titel: Raumfahrergarn
Autoren: Anne McCaffrey , Jody Lynn Nye
Vom Netzwerk:
erstes kapitel
     
    Die einzige Turbine, die in dem leeren, kugelrunden Erzfrachter in Betrieb war, wummerte hohl durch den Rumpf. Sie ließ die Decks und Schotts in einer Frequenz vibrieren, die man anfangs, je nach Stimmung, als beruhigend oder entnervend empfand. Nach vier Wochen an Bord des auf Tau Ceti registrierten Frachtschiffs Nellie Mine mußte Lunzie Mespil sich erst an das Summen erinnern, um es überhaupt wahrzunehmen. Als sie in ihrer Eigenschaft als neue Ärztin für die Bergbauplattform Descartes Nr. 6 an Bord gekommen war, hatte das Geräusch sie halb in den Wahnsinn getrieben. Es gab nicht viel zu tun, außer zu lesen, zu schlafen und zu horchen – oder besser, den Lärm der Turbine zu fühlen. Später fand sie heraus, daß das Geräusch das Einschlafen und die Entspannung förderte, so als befände man sich an Bord einer sanft schaukelnden Einschienenbahn. Ob ihre Kollegen es wußten oder nicht, einer der Hauptgründe dafür, daß die Bergbaugesellschaft Descartes bei Frachtflügen so wenige Meutereien und Duelle verzeichnete, war das friedlich stimmende Summen der Turbinen.
    Die ersten Tage, die sie in der kleinen, schmucklosen Kabine verbrachte, die ihr zugleich als Schlafstelle und als Büro diente, verliefen ein wenig einsam. Lunzie blieben zu viele Stunden, um an ihre Tochter Fiona zu denken. Die vierzehnjährige Fiona, für Lunzies unbefangene Augen ein hübsches und frühreifes Mädchen, war in der Obhut eines Freundes zurückgeblieben, der als leitender medizinischer Offizier auf dem neu kolonisierten Planeten Tau Cetis arbeitete. Die Siedlung war für eine so junge Anlage erstaunlich komfortabel. Sie hatte ein gutes Klima, eine für Menschen günstige Biosphäre, unterscheidbare Jahreszeiten und viel fruchtbares Land, auf dem sowohl irdische wie hybride Pflanzen gediehen. Lunzie hoffte, sich dort selbst niederlassen zu können, wenn sie ihren Pflichtdienst auf der Plattform beendet hatte, aber sie war finanziell nicht unabhängig.
    Fiona war wütend gewesen, weil sie ihre Mutter nicht auf die Plattform begleiten durfte, und hatte es nicht hinnehmen wollen. In den letzten Tagen vor Lunzies Abreise hatte sie sich geweigert, ein Wort mit ihr zu wechseln, und immer wieder störrisch die beiden Fünf-Kilo-Kleidersäcke ausgepackt, wie oft ihre Mutter sie auch wieder neu packte. Es war eine kindische Posse gewesen, aber eine, die Lunzie zeigte, wie sehr es Fiona verletzte, daß sie alleingelassen wurde. Seit ihrer Geburt war sie nie länger als einige Tage von ihrer Mutter getrennt gewesen. Lunzie machte die bevorstehende Trennung selbst zu schaffen, aber im Gegensatz zu Fiona sah sie ein, daß wirtschaftliche Zwänge ihr keine andere Wahl ließen, als einen medizinischen Posten auf einem so fernen Planeten anzunehmen und Fiona zurückzulassen.
    Die Reisekosten nach Tau Ceti waren vom Wissenschaftsausschuß bezahlt worden, der darüber Aufschluß erhalten wollte, welche Zukunftsaussichten ein Clone-Zuchtzentrum auf einem neu kolonisierten Planeten hatte. Der Ethikausschuß war an Lunzie herangetreten, weil sie in ihrer Zeit an der medizinischen Fakultät als studentische Beraterin mit einem ähnlichen Projekt zu tun gehabt hatte, aus dem eine experimentelle Kolonie hervorgegangen war. Überraschenderweise waren die Daten dieses früheren Unternehmens selbst den Teilnehmern an dem Projekt nicht zugänglich. Auch ihr zeitweiliger Ehemann Sion hatte sich für sie ausgesprochen. Er genoß in Kreisen der Genetiker inzwischen hohes Ansehen und arbeitete hauptsächlich an der Überwachung menschlicher Schwerwelten-Mutationen.
    Es fanden vier oder fünf Sitzungen des Ethikausschusses statt, die schnell zu dem Ergebnis kamen, daß selbst ein so altruistisches Projekt wie die Pflege eines überlebensfähigen Genoms binnen weniger Generationen in einer Sackgasse enden würde. Auf weitere Maßnahmen wurde deshalb verzichtet, und so saß Lunzie ohne Arbeit in einer Kolonie fest, die sie nicht mehr brauchte. Weil ihre Arbeit strenger Geheimhaltung unterlag, hatte sie ihrer Tochter nicht einmal erklären können, warum sie einen Posten nicht antreten konnte, der der eigentliche Grund für ihre Übersiedlung nach Tau Ceti gewesen war.
    Nachdem sie ihre Taschen das fünfte oder sechste Mal neu gepackt hatte, wußte sie die wenigen Habseligkeiten auswendig, die sie mitnehmen würde, und schloß ihr Gepäck im Giftschrank des medizinischen Zentrums von Tau Ceti ein, damit ihre Tochter es nicht mehr in die Finger
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher