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Raumfahrergarn

Raumfahrergarn

Titel: Raumfahrergarn
Autoren: Anne McCaffrey , Jody Lynn Nye
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sich wie die meisten Mannschaftsmitglieder einen praktischen Kurzhaarschnitt zugelegt. Sie vermißte den warmen, frischen Wind, sie vermißte es, sich aus den einheimischen Pflanzen ihr Essen selbst zu kochen, und natürlich vermißte sie Fiona.
    Weil sie sonst nichts zu tun hatte, vertrieb sich Lunzie die Zeit damit, daß sie die medizinischen Akten ihrer künftigen Mitarbeiter und medizinische Texte über die typischen Verletzungen und Unpäßlichkeiten studierte, an denen Asteroiden-Bergleute litten. Sie freute sich auf ihren neuen Posten. Vom Aufenthalt im Weltraum hervorgerufene Traumata interessierten sie. Agoraphobie und Klaustrophobie waren an Bord einer Raumstation keine Seltenheit, häufig gefolgt von paranoiden Anfällen. Seltsamerweise litten Patienten häufig an mehreren Symptomen dieser Art gleichzeitig. Sie rätselte über die Ursachen und wollte genug Datenmaterial sammeln, um die Aussagen ihres Professors über Behandlungsmöglichkeiten zu beweisen oder zu widerlegen.
    Die Angaben in den medizinischen Akten hatten ihr geholfen, ihre fünfzehn Schiffskameraden besser kennenzulernen. Bergleute waren eine verschworene Gemeinschaft und legten großen Wert auf Kameradschaft, aber sie brauchten viel Zeit, um sich an Fremde zu gewöhnen. Private und berufliche Tragödien schweißten sie eng zusammen. Lunzie aber blieb nicht lang eine Fremde. Ihre Kameraden fanden bald heraus, daß sie sich aufrichtig um das Wohlergehen jedes einzelnen sorgte und daß sie eine gute Zuhörerin war. Von da an bemühte sich jeder, im gemeinsamen Speise- und Aufenthaltsraum einmal allein mit ihr reden zu können oder tauchte zwischen den Schichten in ihrem Büro auf, so daß sie sich sehr willkommen fühlte. Mit der Zeit öffneten sie sich ihr. Lunzie erfuhr von der unglücklichen Liebe des einen Kameraden, von den Plänen einer anderen Kameradin, mit ihren Ersparnissen auf einem Satelliten ein Lokal zu eröffnen, und von dem Nachwuchs, den zwei liierte Flugwesen erwarteten, die der Rasse der Ryxi angehörten und von der Plattform befristet als Spezialisten angestellt worden waren. Und die anderen erfuhren von ihrem bisherigen Leben, ihrer medizinischen Ausbildung und ihrer Tochter.
    Sie hielt das dreieckige Hologramm von Fiona in der Hand, als sie in ihrem Büro am Schreibtisch saß und einem Bergmann namens Jilet zuhörte. Laut seiner Akte hatte Jilet zwölf Jahre in kryogenischem Tiefschlaf verbracht, nachdem Asteroiden den Antrieb eines Erzfrachters beschädigt hatten, in dem er mit vier anderen Kameraden flog. Sie hatten ihre Stationen evakuieren müssen, und Jilet war in eine Fluchtkapsel neben dem Frachtraum gestiegen, während sich die anderen in eine zweite Kapsel neben den Turbinen retteten. Die anderen vier waren bald gerettet worden, Jilet aber wegen einer Fehlfunktion des Signalfeuers seiner Kapsel über ein Jahrzehnt verschollen geblieben. Es überraschte nicht, daß er wütend, verängstigt und gereizt war. An Bord der Nellie Mine arbeiteten drei weitere Männer, die schon mindestens einmal im Kälteschlaf gelegen hatten, Jilets Schlaf war aber der längste gewesen. Lunzie hatte Mitleid mit ihm.
    »Ich weiß, daß diese Jahre vergangen sind, während ich im Kälteschlaf gelegen habe, Doktor, aber es bringt mich um, daß ich mich nicht an sie erinnern kann. Ich habe so viel verloren – meine Freunde, meine Familie. Es ist alles ohne mich weitergegangen, und ich weiß nicht, wie ich wieder neu anfangen soll.« Der stämmige, schwarzhaarige Bergmann rutschte auf der Turbulenzliege hin und her, die Lunzie als Psychologencouch verwendete. »Ich habe das Gefühl, als hätte ich auch einen Teil von mir verloren.«
    »Sie wissen, daß das nicht stimmt, Jilet«, sagte Lunzie und stützte sich auf die Ellbogen. »Das Gehirn bewahrt seine Erinnerungen auch unter sehr widrigen Umständen. Was Sie erlebt haben, ist immer noch da drin gespeichert.« Sie tippte sich mit der breiten Spitze eines schlanken Fingers an die Stirn. »Die Forschung hat bewiesen, daß das Erinnerungsvermögen während eines Kälteschlafs nicht nachläßt. Sie müssen darauf vertrauen, was Sie sind und wer Sie sind, nicht was Ihre Umgebung Ihnen einreden will. Ich weiß, daß Sie verwirrt sind … gut, ich habe es noch nicht selbst durchgemacht, aber ich habe viele Patienten behandelt, denen es ähnlich ging. Sie müssen nur akzeptieren, daß Sie ein Trauma durchgemacht haben, und lernen, Ihr Leben wieder neu zu leben.«
    Jilet verzog das Gesicht. »Als
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