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0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

Titel: 0394 - Die Unheimliche vom Schandturm
Autoren: Jason Dark
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Der Totengräber hockte in seiner alten Bude und lauschte dem Heulen des Sturms. Man nannte ihn nur Pitter, der Friedhof war sein Reich, er gehörte zu ihm wie die düsteren Grabsteine und die alten Bäume, deren Kronen durchgeschüttelt wurden.
    Das Haus ächzte. Es stöhnte unter gewaltigen Schmerzen. An den Ecken und den vorgebauten Dachkanten fing sich Sturm und heulte dort eine Melodie, die als schauriger Grabgesang zu dem Friedhof paßte. Ein Geleit für all die Toten, die ins Jenseits eingingen, wo ihre Seelen für alle Ewigkeiten schmachten würden.
    Pitter ging zur Tür. Er hörte die Geräusche, und manchmal war es ein hartes Klopfen, als würden die Hände der Toten gegen seine Tür hämmern, um Einlaß zu begehren.
    Ein furchtbares Unwetter tobte sich über der Stadt aus. Für die Schiffer wurde der Rhein zu einer tödlichnassen Falle. Niemand wagte sich mehr hinaus auf den Fluß, wo die Wellen zu gläsernen Bergen anwuchsen, die alles überschwemmten oder mitrissen, was sich ihnen in den Weg stellte. Längst war der Fährbetrieb eingeschlafen. Vertäut lagen die breiten Kähne am Ufer, wurden von den Wellen erwischt und schüttelten sich mit trägen Bewegungen, weil sie aus ihrer Ruhe gerissen worden waren.
    Es war eine Nacht, die man am besten vergaß, wenn man sie heil überstand…
    Der Sturm kannte kein Pardon. Er jagte in jede Ritze hinein, als wollte er erkunden, ob es noch Dinge für ihn gab, die es mitzunehmen lohnte.
    Manchmal, wenn er durch besonders enge Gassen heulte und gegen Widerstände prallte, hörten sich seine Laute an wie das Schreien von Gefolterten oder das Jammern der allmählich Verhungernden im Schandturm.
    Die Zeiten waren hart. Wer sich außerhalb stellte, wurde vernichtet. Das Großbürgertum, der Adel und nicht zuletzt die Kirche reagierten in Colonia mit eiserner Strenge.
    Pitter, der Totengräber, blieb innen vor der Haustür stehen. Sein skeptischer Blick aus den kleinen Augen traf die Tür, die sich unter den jenseits von ihr tobenden Gewalten nach innen bog, wobei der Totengräber nicht mehr glauben wollte, daß der Holzriegel noch lange standhielt. Er kam zu dem Entschluß, etwas tun zu müssen.
    Die Tür mußte einfach verriegelt und verrammelt werden, dazu brauchte er Werkzeug und eine stabile Holzlatte, am besten einen Pfosten.
    Pitter bewahrte so etwas in seinem Schuppen auf, wo auch noch primitive Särge für die ganz Armen standen, die kein Geld für eine Beerdigung hatten.
    Der Schuppen war besonders gefährdet. Bei schönem Wetter lugten die Strahlen der Sonne durch das mit Löchern und Ritzen übersäte Dach. Im Winter hielt die knackige Kälte Einzug, so daß man leicht erfrieren konnte, da es keinen Ofen gab, der den Schuppen erwärmte.
    Durch den Flur mußte Pitter gehen, um die Tür zu erreichen, die den Schuppen mit seinem kaum besseren Wohnhaus verband.
    Auf der kurzen Strecke bekam er ebenfalls die Gewalt des Windes mit. Der Orkan erschütterte das Haus in seinen Grundfesten, er wühlte in den Bäumen wie ein wildes Tier und schleuderte abgerissene Äste und Zweige auf das Dach, so daß es sich anhörte, als würde jemand einen wahren Trommelwirbel veranstalten.
    Die schmale Tür zum Schuppen war primitiv gearbeitet. Sie erzitterte unter den harten Windstößen, die es irgendwie schafften, auch gegen sie zu hämmern. Bei ihr war es ebenfalls nur noch eine Frage der Zeit, wann sie brechen würde.
    Der Totengräber zog sie auf. Er brauchte nicht einmal viel Kraft aufzuwenden. Der Wind unterstützte ihn und spielte plötzlich mit der Tür.
    »Das gibt es nicht!« keuchte Pitter im breitesten Kölsch und schüttelte sich. »So ein Mist.« Er hielt die Tür fest, damit sie ihm nicht gegen den Schädel schlug. Sein Blick glitt in den Schuppen.
    Nichts stand mehr an seinem Platz. Der Wind hatte das Werkzeug umgerissen. Schaufeln, Spaten, Spitzhacken und andere Dinge waren zu Boden geschleudert worden.
    Pitter ärgerte sich. Er überlegte, ob er tatsächlich hineingehen sollte, aber die Vordertür war wichtiger. Wenn sie zerstört wurde, hatte der Wind freie Bahn und würde das Haus regelrecht zerlegen.
    Deshalb war es besser, wenn er sie sicherte.
    Den schweren Hammer sah er nicht gleich, weil er unter einem Spaten verborgen lag. Dafür stach ihm ein breiter Holzstempel ins Auge, der ungefähr die Maße besaß, die er für die Tür benötigte. Mit Holzkeilen wollte er den Stempel schräg befestigen.
    Kaum hatte er den Schuppen betreten, als eine neue Bö
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