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Schiffe versenken

Schiffe versenken

Titel: Schiffe versenken
Autoren: Mark Chisnell
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Kapitel 1
     
    Das Stahlblech schepperte, als Phillip Hamnet mit leichtem Schritt über die von zahllosen Wachwechseln ausgetretenen glatten Stufen des Niedergangs von der Brücke zum Deck hinuntereilte. Auf dem Weg zu seiner Tageskajüte musste sich der Kapitän der Shawould am Handlauf festhalten, während er breitbeinig das Rollen des Schiffs in den heftigen Wellen ausglich. Als das Schott in den ausgeleierten Scharnieren unwillig quietschte, schaute Anna, Phils Frau, auf und lächelte kurz, während die Tür hinter ihm zufiel.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie und schaute ihn besorgt an. Das weiße T-Shirt spannte über seinem mächtigen Brustkorb, und ein leichter Film aus Öl und Schweiß glänzte auf seiner tief gebräunten Stirn. »Er sieht erschöpft aus«, dachte sie und betrachtete besorgt das eigentlich hübsche Gesicht mit den hohen Wangenknochen, das jetzt jede Menge Bartstoppeln, Tränensäcke um die haselnussbraunen Augen und ein deprimierter Gesichtsausdruck verunzierten. Das blonde Haar wirkte stumpf und schrie förmlich nach einem Schnitt.
    Hamnet ließ sich in einen der Sessel neben dem kleinen Esstisch fallen.
    »Gesetzt den Fall, die verdammte Fracht taucht nicht auf, hatte ich Anweisung, ohne sie auszulaufen. Also haben wir den Anker gelichtet, und jetzt sind wir schon in der Malakkastraße. Sieht nach einer Wetterverschlechterung aus, und die Reederei will, dass wir unseren Hintern in Bewegung halten, weil wir wegen ihrer Phantomfracht ohnehin schon Verspätung haben.« Er zögerte. »Außerdem hat mein Abendessen lange genug gewartet. Richardson ist oben auf der Brücke, schließlich ist es seine Wache.«
    Anna nickte und holte ihm eine doppelte Portion Reis, während Hamnet auf den Ventilator starrte und vor sich hin brütete. Das Ding war hoffnungslos überfordert, und wie immer vor einem Sturm lastete das ganze Gewicht der Tropen auf ihnen, sodass Anna schwer atmete und Hamnet unwillkürlich seufzte, als er nach dem Teller griff, den sie ihm schon eine Weile hinhielt.
    »Meine Güte, hier drin steht die Luft. Hast du was dagegen, wenn ich die Tür wieder aufmache?« Er stellte den Teller ab und stand auf.
    »Natürlich nicht. Ich hab’ sie nur zugemacht, während ich unter der Dusche war«, antwortete Anna.
    Erst jetzt sah Hamnet seine Frau genau an. Sie wirkte frisch und entspannt in ihrem leichten Seidenkleid – wahrscheinlich war das Duschwasser aus den Tanks des Schiffes angenehm kühl gewesen. Aber das würde nicht lange vorhalten. Er zog die Tür auf und klemmte sie brutal mit einem Keil fest.
    »Hey! Kopf hoch, es ist deine letzte Reise«, rügte ihn Anna, während sie nach einer Flasche Weißwein griff und ihm ein großes Glas voll schenkte.
    »Gott sei Dank. Wie ich diesen verdammten Kahn hasse!«, brummte er unwirsch und kehrte an seinen Platz zurück.
    »Du hast dir deinen Urlaub verdient und ein neues Schiff auch«, versuchte sie ihn zu trösten.
    Hamnet griff nach dem Weinglas und gönnte sich einen großen Schluck. Dann atmete er tief durch und entspannte sichtbar. Er schaute Anna an. »Alles wird gut, das glaubst du doch auch?«, fragte er mit einem unsicheren Lächeln.
    Anna nickte.
    »Danke.« Sein Lächeln wirkte dennoch leicht verkrampft, als er ihr zuprostete. »Auf uns!« Das Glas klirrte nur dünn und brachte nicht im Entferntesten den vollen, tiefen Klang von Waterford Kristall an Waterford Kristall zuwege, sondern nur das billige Klingeln von billigen Gläsern. Hamnet stürzte den zu warmen, hell funkelnden Sorgenkiller in einem Zug hinunter. »Auf uns vier«, erwiderte Anna den Trinkspruch.
    Warmherzig lächelten ihn ihre schokobraunen Augen unter dem schwarzen Pony ihrer Bobfrisur an, während sie an ihrem Eiswasser nippte. Hamnet argwöhnte, dass es Unglück bringen könnte, mit etwas anderem als Alkohol anzustoßen. Vielleicht hätte er sie veranlassen sollen, wenigstens ein Glas Wein in die Hand zu nehmen? Ein einziger Schluck konnte nicht viel verderben – jetzt nicht mehr, da sie nur noch fünf Wochen hinter sich bringen mussten. »Auf uns vier«, dachte er. Mit Zwillingen hatten sie beide nicht gerechnet. Er musste sich eingestehen, dass ihn der Gedanke erschreckte, und die Schwangerschaft war auch der Grund, warum Anna sich zu dieser Reise entschlossen hatte. Demnächst würde sie längere Zeit keine Chance mehr zu solchen Unternehmungen bekommen.
    Anna war als Erste mit dem Essen fertig, füllte ihr Glas aus dem Wasserkrug nach und ging zum Sofa, das
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