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TTB 116: Freibeuter im Weltraum

TTB 116: Freibeuter im Weltraum

Titel: TTB 116: Freibeuter im Weltraum
Autoren: Poul Anderson
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1.
     
    »Le roi a fait battre tambour,
    le roi a fait battre tambour …«
    Gunnar Heim verhielt. Er blieb eine Weile stehen und lauschte der Stimme, die aus der Dunkelheit zu ihm kam.
    »Pour voir toutes ces dames.
    Et la première qu’il a vue …«
    Der Sänger konnte nicht weit sein, denn sein leiser Gesang war trotz der unzähligen Geräusche des nächtlichen Hafens klar zu hören. Heim ging dem Klang nach. Wenn er wollte, konnte er sich noch immer schnell und leise bewegen. Nach einem Moment verstummte der Gesang, und schwermütige Gitarrenklänge wiederholten den Refrain der alten Ballade.
    Lagerschuppen erhoben sich schwarz zu seiner Rechten. Um diese Stunde, nicht lange vor dem Morgengrauen, war vom Lichtermeer der großen Stadt nur noch ein trüber Schimmer übriggeblieben, der die tiefhängenden Wolken schwach erhellte und wie rötlicher Dunst über den Dächern lag. Links lag ein Frachtunterseeboot wie ein metallischer Drache am Pier, aber keine Laderoboter oder Menschen waren in seiner Nähe. Die Lampen am anderen Flußufer legten schimmernde Bahnen über das schwarze Wasser.
    Heim kam um eine Ecke des Kaischuppens und sah den Sänger. Der Mann saß auf einem eisernen Poller und blickte über das Wasser hinaus, eine kleine verlorene und schäbige Gestalt. Seine Finger sprangen wie von selbst über die zwölf Saiten des Instruments.
    Heim wartete im Schatten des Lagerhauses. Er wollte nicht stören. In einem Lokal, das auf den sinnigen Namen »Raumfahrers Ruh« hörte, hatte man ihm erzählt, daß der Mann betrunken und wohl auch ein bißchen verdreht sei. »Und als er seinen letzten Penny versoffen hatte, wollte er für Schnaps singen«, hatte der Barmann gesagt. »Ich habe ihm gleich klargemacht, daß wir von diesem Zeug nichts hören wollen. Darauf meinte er, er habe sich mit seinen Liedern seinen Weg durch ein Dutzend Planeten gesungen, und was mit der Erde los sei, daß ihm hier niemand zuhören wolle. Ich sagte ihm, daß das Fernsehen in ein paar Minuten eine Stripteaseschau bringe und daß meine Kunden an so etwas mehr interessiert seien als an seinem ausländischen Zeug. Er schrie, dann würde er eben zu den Sternen singen, und ich sagte, das solle er nur machen, aber schnell, bevor ich ihn vor die Tür setze. Und weg war er. Eine Stunde wird es her sein. Ist er ein Freund von Ihnen?«
    »Vielleicht«, hatte Heim gemurmelt.
    »Dann sollten Sie ihm lieber nachgehen. Er könnte Ärger bekommen. Jemand könnte ein Auge auf seine Gitarre werfen. Ein teures Ding, was er da mit sich herumschleppt.«
    Heim hatte genickt und sein Bier ausgetrunken. In den Armenvierteln einer großen Stadt war es nachts für einen Einzelgänger nicht ungefährlich, und die Polizei gab sich nur wenig Mühe, jene Unglücklichen unter Kontrolle zu halten, die schon vor ihrer Geburt durch Maschinen verdrängt und zu Wohlfahrtsempfängern gemacht worden waren. Sie beschränkte sich darauf, den ohnmächtigen Zorn und die Hoffnungslosigkeit in den Grenzen ihrer Gettos zu halten, die abseits von den Wohnvierteln der Leute lagen, deren Kenntnisse und Fähigkeiten gefragt waren. Bei seinen Spaziergängen durch die trostlose Welt dieser modernen Parias pflegte Heim eine Betäubungspistole bei sich zu tragen.
    Doch man kannte ihn bereits. Er hatte sich ihnen gegenüber als Raumfahrer im Ruhestand ausgegeben, und bald hatten sie ihn als Saufkumpan und geselligen Mitspieler am Kartentisch akzeptiert. Nachdem er mehreren seiner Bekannten zugewinkt hatte, war er hinausgegangen, um den Sänger zu suchen.
    Nun hatte er ihn gefunden, und er fühlte seinen Puls schneller schlagen. Vielleicht wußte dieser Fremde die Wahrheit über das, was zwischen jenen fernen Welteninseln geschehen war.
    Der Gesang endete mit ein paar heftig geschlagenen Akkorden, und die Stille wurde nur noch vom Lecken der Wellen an der Kaimauer und dem unaufhörlichen Pochen und Pulsieren der maschinenbeherrschten Stadt unterbrochen. Heim löste sich von der Mauer des Schuppens.
    »Guten Abend«, sagte er.
    Der Sänger fuhr zusammen und drehte furchtsam den Kopf. Heim breitete lächelnd die Hände aus. »Ich bin harmlos«, sagte er, »und habe nur Ihren Vortrag bewundert. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich zu Ihnen setze?«
    Der andere wischte sich wütend die nassen Augen, dann raffte er sich auf und musterte den Ankömmling mißtrauisch. Gunnar Heim war nicht der Typ, dem man sich in einer solchen Gegend unbesorgt gegenübersah. Er war ein Koloß von einem
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