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0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

Titel: 0394 - Die Unheimliche vom Schandturm
Autoren: Jason Dark
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ihrem Leben fast nur gegrämt und über andere Frauen geschimpft.
    Noch ein paar Treppen, dann hatte er das vorläufige Ziel seiner Wünsche erreicht. Die Steinstufen waren außen breit und liefen nach innen hin schmaler zu. Wenn es dunkel wurde, mußte ein Diener durch den Turm gehen und die in den Wandnischen stehenden Kerzen anzünden. Es waren besonders gute Kerzen, die nicht so schnell abbrannten und die ganze Nacht über Helligkeit schufen.
    Rudolph atmete schwer. Das Laufen hatte ihn angestrengt. Er öffnete noch zwei weitere Knöpfe an seinem Hemd und wollte seine Hand schon auf die Klinke legen, als er zurückzuckte, denn ihm war etwas aufgefallen.
    Gretchen rief ihm nichts zu!
    Das war ungewöhnlich, denn sie mußte ihn doch gehört haben.
    Sonst rief sie und lockte ihn mit ihrer seidenweichen Stimme. In dieser Nacht blieb es ruhig. Daß sie schon schlief, konnte sich Ricardis nicht vorstellen, denn das Unwetter mit dem furchtbaren Sturm lag noch nicht lange zurück, und da hatte Gretchen bestimmt nicht geschlafen.
    Ausnahmen gab es immer, deshalb rechnete Rudolph auch damit, daß seine Geliebte eingeschlafen war und er sich vornahm, sie auf eine besondere Art und Weise zu wecken.
    Behutsam öffnete er die Tür. Auch als er seinen Körper über die Schwelle drückte, entstand kein Geräusch.
    In den Leuchtern zu beiden Seiten des Wandspiegels standen die brennenden Kerzen. Ihre feurigen Finger spiegelten sich in der Scheibe wider und gaben ein romantisches Bild, zu dem die im Bett liegende Frau einfach nicht paßte, weil sie zu hoch zugedeckt war.
    Zudem wurde das Bett vom Schein nicht erreicht. Es verschwamm etwas in der Düsternis.
    Der Eintretende lächelte. Er hatte die Person im Bett gesehen und ging davon aus, daß seine Geliebte letztendlich doch eingeschlafen war. Auf Zehenspitzen schlich er zum Bett. Kein Geräusch sollte ihn verraten. Er wollte Gretchen überraschen.
    Sie lag auf der Seite. Dabei wandte sie ihm den Rücken zu. Das Laken war auf eine unnatürliche Weise hochgezogen worden, da es sogar den Kopf der Schlafenden bedeckte, die linke Schulter aber freiließ und der Mann die helle Haut schimmern sah.
    Rudolph überlegte, ob er sich schon jetzt ausziehen sollte. Nein, er wollte Gretchen erst wecken.
    Lächelnd und mit einem gespannten Ausdruck im Gesicht schritt er um das Bett herum, um seiner Geliebten einen Kuß zu geben und dann die Hände über ihren wohlgeformten Körper wandern zu lassen, denn wie es aussah hatte sie sich bereits entkleidet.
    Draußen war der Himmel klar geworden. Durch die Fensterscheibe konnte Rudolph das blanke Firmament und ein Heer von Sternen sehen, sowie die fast volle Scheibe des Mondes, der sein fahles Licht auf den großen Strom schickte.
    Vor dem Bett verhielt er seinen Schritt und ließ sich auf die Knie nieder. Das Gesicht der Geliebten war nicht zu sehen. Sie lag gekrümmt da und hatte eine irgendwie unnatürliche Haltung eingenommen. Und noch etwas störte den Mann.
    Es war der Geruch nach Erde und Grab, als befänden sie sich nicht in einem Zimmer, sondern mitten auf dem Friedhof, der für Gerüche dieser Art so typisch war.
    Rudolph zeigte sich irritiert, war aber gleichzeitig versessen darauf, bei seiner Geliebten zu sein, deshalb schleuderte er seine Bedenken über Bord. Er riß die Decke hoch.
    »Hallo, Rudi…«
    Mit einem röhrenden Schrei auf den Lippen fuhr der Mann in die Höhe. Nicht Gretchen hatte gesprochen, und sie lag auch nicht im Bett. Die Person, die sich da vor ihm versteckt gehalten hatte, war seine verstorbene Frau!
    ***
    Bis zum Fenster lief der Mann und prallte dort so heftig gegen die Scheibe, daß man befürchten mußte, sie würde zerbrechen. Er breitete die Arme aus, seine Augen glichen unbeweglichen Kugeln, und er starrte die Frau an, als wäre sie ein Geist.
    War sie ein Geist?
    Nein, sie lebte, sie richtete sich auf und verzog den Mund zu einem bösen Grinsen.
    So starrte sie ihn an.
    Rudolph Ricardis holte Luft und hatte dabei das Gefühl, unsichtbare Finger würden seine Kehle umklammern. Er spürte das Kratzen, räusperte sich, zog die Nase hoch und schüttelte den Kopf, als er zum Bett starrte und das schreckliche Bild in sich aufnahm.
    Es war keine Täuschung, kein Gemälde, denn Gertrude bewegte sich und schwang ihre Beine aus dem Bett. Bleiche Totenfüße, ebenso blaß wie ihre Hände und natürlich das Gesicht, in dem die Haut viel dünner erschien als sonst.
    Sie saß da und strich durch ihr Haar, wie sie es
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