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0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

Titel: 0394 - Die Unheimliche vom Schandturm
Autoren: Jason Dark
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schlechten Eltern. Deshalb schaffte er es auch beim ersten Versuch, das Brett in die Höhe zu hieven, sich zu drehen und mit dieser Waffe zuzuschlagen.
    Der Totengräber erwischte die lebende Leiche am Kopf und an der Schulter. Zum zweitenmal schien sie in eine Windhose geraten zu sein, denn sie kippte nicht nur um, sie wurde auch zur Seite geschleudert und prallte weiter entfernt zu Boden, wo sie sich noch überschlug, bevor sie endgültig liegenblieb.
    Der Mann ließ das Brett fallen, als wäre es plötzlich glühend geworden. Mehr hatte er nicht gewollt. Plötzlich drehte er sich um und rannte davon, als wären tausend Teufel hinter ihm her.
    Er sah nicht mehr, daß die lebende Leiche aufstand und ihren Weg fortsetzte…
    ***
    Er hatte das blonde Mädchen aus der Backstube geholt und zu seiner Geliebten gemacht. Zärtlich nannte er sie Gretchen, und sie fühlte sich bei ihm wohl. Seit drei Wochen ging es ihr gut, trug sie schöne Kleider, wurde zwar von den reichen Frauen schief angesehen, aber von ihresgleichen immer höflich gegrüßt, und manche ihrer alten Freundinnen fragten sie auch, wie es denn so war, die Geliebte eines reichen Bürgers zu sein, der seit kurzem Witwer war und das Verhältnis nun nicht mehr so geheimhalten mußte wie zu Zeiten seiner Ehe.
    Sie hatte stets mit einem Lächeln geantwortet und einen gewissen Glanz in die Augen bekommen.
    In dieser Nacht war ihr das Lächeln vergangen.
    Über Colonia tobte ein Unwetter.
    Es war grausam. Am Himmel spielten sich gewaltige Szenen ab.
    Der Regen war sintflutartig und ein gewaltiger Orkan fiel über Köln her wie ein wildes Ungeheuer.
    Gretchen stand am obersten Fenster des hohen Turmes und hatte von dieser Stelle aus einen phantastischen Ausblick über die große Stadt am Rhein.
    Sie beobachtete, wie Häuser zusammenkrachten und Bäume entwurzelt wurden. Angst hatte sie keine.
    »Dieser Turm ist sicher!« hatte ihr Rudolph immer wieder gesagt, damit sie sich keine Sorgen machte.
    Sie glaubte ihm, aber sie hätte es gern gehabt, wenn er jetzt bei ihr gewesen wäre. Er hatte versprochen, noch vor Mitternacht zu kommen, um sich in den folgenden Stunden nur um sie zu kümmern.
    Als einige vom Boden her hochgewirbelte Zweige bis fast an das Turmfenster prallten, zuckte Gretchen zurück und blieb erst dort stehen, wo das Bett begann.
    Fast wäre sie auf das breite Lager gefallen, sie mußte mit den Armen wedeln, um sich zu halten.
    Ja, dieses Bett!
    Was hatte es nicht schon alles erlebt?
    Gretchen und ihr Freund hatten sich oft wie die Wahnsinnigen geliebt, manchmal war es wie ein Rausch über sie gekommen, und darin wiederum hatte es Zeiten gegeben, wo beide die Zärtlichkeit gebraucht hatten.
    Wie es heute sein würde, wußte sie nicht. Ihr war es egal. Sie stellte sich jedesmal auf beide Dinge ein.
    Gretchen drehte sich um. Sie ging dorthin, wo über der Kommode der Spiegel an der Wand hing. Rechts und links von dem Spiegel standen Kerzen und leuchteten das Zimmer aus.
    Die Frau, noch sehr jung, gerade mal zwanzig, betrachtete sich im Spiegel. Sie sah irgendwie lieb aus, mit den Zöpfen, dem runden Gesicht und den vollen, rötlich schimmernden Wangen. Ihre Augen waren groß und hellblau. Gretchen gehörte nicht zu den schlanken Mädchen, vielleicht hätte Rudolph sie dann auch nicht geliebt. Er stand auf dralle Frauen, wie Rubens sie gemalt hatte.
    Gut gepolstert war sie, und diese Rundungen zeichneten sich auch unter ihrem schlichten Nachthemd ab, denn sie trug nichts drunter. Ganz so, wie es ihr Geliebter mochte.
    Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu und wußte, daß ihr Gesicht dabei den puppenhaften Ausdruck bekam, den Rudolph so sehr liebte.
    Sie ging zurück.
    Ihr Gang war etwas plump und wenig damenhaft. Da mußte sie noch üben, um neben den Damen von hohem Stande bestehen zu können.
    Zum Fenster wollte sie nicht mehr, das Bett lockte. Sie ließ sich darauf fallen und versank in den weichen Kissen, die fast wie Wellen über ihr zusammenschlugen.
    So wollte sie warten.
    Die Kerzen brannten ruhig. Durch die dicken Wände des Turms wehte kein Luftzug. Nur draußen tobte und heulte das Unwetter, als hätte jemand eine wilde Meute von Untieren von der Leine gelassen.
    Gretchen lag auf dem Rücken. Ihr Blick war gegen die Decke gerichtet, wo sich das zuckende Kerzenlicht spiegelte.
    Der Turm gehörte zum Haus. Ob ihr Geliebter sich noch in den unteren Räumen befand, wußte sie nicht. Er hatte nur Angst um seine Waren gehabt, die in einem angrenzenden
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