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Die Liebe ist ein Daemon

Die Liebe ist ein Daemon

Titel: Die Liebe ist ein Daemon
Autoren: Dorotea de Spirito
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|9| PROLOG
    »Es ist ein hübsches Mädchen.«
    Der Arzt legte der Mutter das Neugeborene in die Arme und blickte sie eine Weile an, während er über seinen dichten blonden Bart strich.
    Die Mutter gab ihm einen müden und dankbaren Blick zurück.
    »Sie können ruhig näher kommen, nur keine Angst«, sagte der Arzt zum Vater des Neuankömmlings.
    Im Zimmer herrschte eine unwirkliche Stimmung, die nur von dem leisen Geräusch des Regens unterbrochen wurde, der pausenlos fiel und dabei alles und jeden einhüllte.
    Es war der zehnte Juni, und obwohl es in den Wochen zuvor herrliches Wetter gegeben hatte, regnete es seit dem letzten Abend fast ununterbrochen. Feine dichte Tropfen, kleine wie Silber leuchtende Spritzer erfüllten den mit Wolken besetzten Himmel.
    »Sie ist voller Blut«, sagte der Vater der Kleinen. Seine Stimme verriet eine leichte Besorgnis. »Können wir   … den Rücken sehen?«
    »Natürlich. Drehen Sie sie um.«
    Der Arzt strich sich weiterhin über den Bart und blickte |10| mal zum Vater, mal zur jungen Frau. Zärtlich hielt er ihre Hand fest.
    Die Frau drehte behutsam das Kind um, so als ob es sich um zerbrechliches Kristallglas handeln würde. Dann hielt sie es hoch, um es aus der Nähe zu betrachten.
    »Man sieht nichts, da ist so viel Blut.«
    Der Vater trat beunruhigt näher heran, während der Arzt unwillkürlich lächelte. Ein kleines Mädchen beobachtete durch den Türspalt, was im Zimmer geschah.
    »Auch Ihre Große ist neugierig«, bemerkte der Arzt. Aber der Vater achtete nicht auf seine Älteste. Es gab etwas Wichtigeres, das zeigte er dem Arzt mit einem insistierenden Blick ganz deutlich.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte der. »Es ist normal, dass sie voller Blut ist, jetzt zeige ich es Ihnen.«
    Der Arzt ging selbstsicher auf das Paar zu, so wie er es schon hunderte Male bei frisch gebackenen besorgten Eltern getan hatte. Dann beugte er sich über die Mutter und nahm ihr sanft das Kind ab. Bevor er es umdrehte, um den Rücken zu betrachten, schaute er in das schrumpelige Gesicht und musste grinsen.
    »Was ist los? Was hat sie?«, fragte die Mutter.
    »Die Neugeborenen sehen wirklich immer so drollig aus.«
    Die Gelassenheit des Arztes fing an, das junge Paar zu irritieren. Sie hatten jetzt einfach keine Lust, über dies und das zu plaudern.
    Sie wollten sie sehen, sie wollten sie anfassen. Sie wollten |11| das Blut wegwischen, das alles bedeckte, und endlich den Rücken ihres kleinen Engels bewundern.
    Genau in diesem Moment änderte sich der Gesichtsausdruck des Arztes. Das Lächeln auf seinen Lippen verschwand.
    »Schwester!«, schrie er.
    Einen Augenblick später stand eine junge Frau mit einem langen weißen Kittel neben ihm. Und ihr Gesicht sah nicht weniger besorgt oder verwundert aus als das des Arztes.
    »Aber ist denn dieses Kind kein Engel?«
    »Doch, es sollte einer sein. Aber es ist keiner.«

|13| UNSER GEHEIMNIS
    Den letzten Ferientag kann man einfach nicht zu Hause verbringen. Das verstößt gegen die ungeschriebenen Schülergesetze. Ich klappe mein Buch zu und rolle mich aus dem Bett.
    Ich schüttle meine verwuschelten Haare und versuche dabei wieder erfolglos, eine rebellische Haarsträhne zu bändigen. Ich muss unbedingt noch die CD von
30   Seconds to Mars
wiederfinden, die ich meiner Freundin schon längst zurückbringen wollte. Ich kippe eine Schublade auf dem Boden aus. Aber kurz darauf verschiebe ich die schwierige Aufgabe, die CD zwischen dem ganzen Kram herauszuangeln, auf nachher.
    »Komm nicht zu spät zurück!«, ruft meine Mutter, doch ich habe bereits die Tür hinter mir zugeschlagen.
    Ich stürze mich in das Gassengewirr der Altstadt. Der dunkelgraue Peperinstein der Straßen wird von der Sonne in ein warmes Licht getaucht und glänzt so sehr, als ob er nass wäre.
    Meine Stadt ist ein ganz schöner Schwindel, denke ich. Ich schnaube leise und blinzle in die pralle Sonne. Im Grunde ist Viterbo nämlich nicht viel mehr als ein riesengroßes Dorf.
    |14| Zwar kennt nicht jeder jeden persönlich, immerhin leben hier sechzigtausend Leute. Aber es gibt eine Theorie, nach der es nur fünf Personen braucht, um einen Menschen mit einem beliebigen anderen Menschen in der Welt in Verbindung zu bringen. In Viterbo braucht es sicher nur eine Person. Na ja, wenn die eine Person sehr diskret ist, können es auch zwei sein.
    Wie in einem Dorf weiß jeder alles von jedem, aber wie in einer großen Stadt denkt niemand daran, dir zu helfen, wenn es sich
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