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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher
Autoren: Roland Adloff
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nun weitermüssten und hielt frierend ihre Arme vor der Brust gekreuzt.
    Lips starrte hinunter zum Richtplatz und schüttelte mit dem Kopf, da drehte Anna sich um und ging.
    Irgendwann schreckte er auf. Im Dämmerlicht sah Lips, wie sich ein Mann an den Richtplatz heranschlich. Mit einer langen Stange stieß dieser am Rad des Vaters, um Leichenteile für Wunderarzneien zu ergattern. Lips stürmte hinunter, lief schreiend auf den Mann zu, der die Stange erschreckt fallen ließ und weglief.
    Lips ging zurück auf die Anhöhe. Von dem Felsvorsprung aus hatte er eine gute Sicht hinunter auf den Richtplatz. Er drückte sich an den Felsen und suchte Schutz vor dem Regen.
    ***
    Am nächsten Morgen regnete es, als solle die Erde versaufen. Ein harter Wind schlug den Regen unablässig auf ihn herab. Lips war bis auf die Haut durchnässt, fror und drückte sich gegen den Felsvorsprung. Er sah fortwährend hinunter zum Richtplatz und wachte über den Leichnam des Vaters.
    Plötzlich hörte er ein Knacken neben sich. Aufgeschreckt sah er hoch. Anna stand vor ihm. Sie wischte sich die Regentropfen aus dem Gesicht und hielt ihm eine Flasche hin. Er nahm sie mit zittrigen Händen, roch, dass es Branntwein war, und trank in kleinen Schlucken gegen die Kälte. Dann winkte Anna, mit ihr zu kommen.
    Lips zögerte und sah hinunter zum Richtplatz.
    Da fasste Anna ihn hart am Arm und versuchte ihn wegzuziehen. Lips wollte ihren Arm zurückstoßen, da traf ihn ihr warmer, entschlossener Blick. Noch einmal blickte Lips hinunter zum Vater, dann stolperte er hinter ihr her.

Zu den Personen
    Johann Friedrich Böttger (1682-1719). Nach der spektakulären Goldprobe 1701 im Laboratorium des Apothekers Zorn geriet Böttger in die Fänge von August dem Starken, der genauso geldklamm und alchemiegläubig wie Friedrich I. in Berlin war. Böttger machte märchenhafte Versprechungen, um die Gunst des Königs zu erhalten. Immer wieder schlossen August der Starke und Böttger Verträge über das Arcanum unversalis und die zu erwartenden Goldberge. Beide sparten nicht an heiligen Eiden, mit denen sie sich gegenseitig an der Nase herumführten. August drohte dem Alchemisten mit dem Strang und ließ einen Galgen errichten. Todesdrohungen und Gefangenschaft belasteten Böttger außerordentlich. 1707 wurde von ihm das braune Porzellan gefunden, 1709 das weiße. Die Gelehrten streiten sich darüber, inwieweit Böttger nur der Gehilfe des Wissenschaftlers Tschirnhaus war und nach dessen Tod lediglich die Versuche weiterführte und dafür bis heute Ruhm und Ehren erntete. Nachdem das weiße Porzellan (das ›weiße Gold‹) gefunden war, verlangte Böttger von August die Freiheit. Diese sollte ihm jedoch erst zugestanden werden, wenn er monatlich wenigstens 50.000 Dukaten in Gold lieferte und seine Zusage von 60 Millionen Talern erfüllte. Böttger antwortete, er könne höchstens 10 statt 60 Millionen Taler liefern, jedoch erst innerhalb der nächsten zwei Jahre und auch nur dann, wenn er mehr Freiheit bekäme.
    1710 wurde die Porzellanmanufaktur in Meißen gegründet. Böttger blieb in Dresden, war aber oft in Meißen und war eifrig an der Umsetzung der Erfindung beteiligt. Am 20. März 1713 erfolgte wieder eine erfolgreiche Transmutation. Der inzwischen halb blinde Böttger stellte eine Goldregulus von fast 200 Gramm Gewicht her. Im gleichen Jahr wurde in Brandenburg die erste Fabrik für braunes Porzellan errichtet. 1714 bekam Böttger die Freiheit zurück, durfte aber das Land nicht verlassen. Er kam dann in Verdacht, sein Geheimnis der Porzellanherstellung nach Berlin verkauft zu haben, was in den folgenden Jahren Gewissheit wurde. Unabhängig davon genoss Böttger seine Freiheit in vollen Zügen und lebte wie ein Krösus. Er besaß in Dresden ein Gewächshaus mit 4.000 Orangenbäumen und ergab sich hemmungslos dem Trunk und der Ausschweifung. 1717 wurde ein erneuter Vertrag mit August zur Herstellung des Arcanum unversalis geschlossen. Böttger versprach bis Januar 1719 endgültig sein Ziel erreicht zu haben … ›am glücklichen Ausgang keinesfalls zweifelnd!‹
    Durch das ständige Hantieren am Ofen geschwächt und durch den Umgang mit Quecksilber und Arsen chronisch vergiftet, verfiel Böttger zusehends. Kabinettsdepeschen informierten den König fast täglich über sein Befinden. Auf dem Sterbebett versuchte man, ihm das angebliche Arcanum abzupressen – vergeblich. Böttger starb mit 37 Jahren. August ließ den Nachlass sofort versiegeln. Noch
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