Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher
Autoren: Roland Adloff
Vom Netzwerk:
Angst hatte, zu spät zu kommen.
    Nachts verbargen sie sich in Scheunen und wärmten sich aneinander. Die restlichen Taler von Frieder teilte Lips sorgsam ein und kaufte Brot und Milch davon. Als das Geld ausgegangen war, verkaufte er Frieders Pistole in einem Kramladen. Manchmal nahm sie ein Fuhrwerk für einen Groschen mit. Die Straße war tief zerfurcht und ausgefahren, und das Fuhrwerk schaukelte schwankend dahin. Lips sah, wie Anna versuchte, sich an den Brettern festzuhalten, und er musste an die Krüppelfuhre denken, wie die Mutter wehrlos in Stroh gefesselt hin und her geworfen worden war. Als sie in die Nähe der Grenzstation nach Sachsen kamen, suchte Lips nach dem Diebespfad, den er an den vielen Diebeszeichen erkannte und der in weitem Bogen um die Grenzstation herumführte.
    Er durfte nicht zu spät kommen und drängte, aber sie kamen nicht zügig voran. Er fragte einen entgegenkommenden Kiepenträger, ob er aus Dresden käme und von einem Tullian wisse, der gerichtet werden solle. Ja, auf den Festtag warte die Menschheit. Er konnte aber nicht sagen, ob der Richttag schon angesetzt wäre. Lips drängte weiter.
    Als die letzte Münze ausgegeben war, stieg Lips in Viehställe und Backhäuser ein und stahl, wo es Gelegenheit gab. Anna blieb manchmal trotzig stehen und wollte nicht weitergehen. Lips überlegte einmal, ob er nicht ohne sie weitergehen sollte, aber dann nahm er sie energisch an die Hand und zog sie so lange hinter sich her, bis sie wieder in seinen Schritt einstimmte. Die Sprache war ihr vergangen.
    Es ging immer die Straße neben der Elbe hoch. Die Passage mit Fuhrwerken wurde immer lebhafter und kündigte die nahe Residenzstadt an. An einem Herbsttag sahen sie dann vor sich die Türme von Dresden. Lips drängte weiter und fragte nach dem Weg zum Richtplatz. Er suchte ihn ab, aber der Vater war nicht unter den Gerichteten. Erleichtert ging er mit Anna durch die Vorstadt bis zum Schwarzen Tor. Er schärfte ihr ein, an der Stelle zu warten, bis er wiederkam. Dann ging er alleine vor zum Wachhäuschen und fragte nach dem Offizier Hering.
    Wie Böttger geschrieben hatte, sagte Lips diesem nur, er wolle zu Johann Gottfried. Der Offizier nickte wissend und verschwand im Wachhäuschen. Lips sah sich um, ob von irgendwo Gefahr drohte. Der Offizier trat kurz darauf mit ausdrucksloser Miene aus dem Wachhäuschen. »Komm!«, sagte er nur. Dann ging er voraus und führte Lips an den Wachsoldaten und Torschreibern vorbei in die Stadt. Lips schaute sich die ganze Zeit um und war zur Flucht bereit. Nach einigen Straßen bedeutete ihm der Offizier zu warten und ging voraus.
    Nach einiger Zeit kam er mit einem jungen Burschen zurück. Dessen verschwielte, rußige Hände, die angekokelten Haare und der Brandgeruch in seinen verschwitzten Kleidern ließen vermuten, dass er an einem Brennofen arbeitete. Der Offizier verabschiedete sich, und Lips folgte dem Burschen, bis sie vor einer Mauer standen, die Teil einer Festungsanlage sein musste. Der Bursche schaute sich um, zog rasch einen Schlüssel hervor und öffnete eine mit schweren Eisen beschlagene Tür. Sie schritten durch einen kleinen Hof, der ringsum von hohen Mauern gesäumt war, dann öffnete der Bursche eine weitere Tür, die in einen dunklen Gang führte. Der Bursche schlug ein Licht. Lips folgte ihm durch ein Labyrinth von Gängen. Es ging auf und ab. Zwischendurch hielt der Bursche an und horchte, dann ging es weiter, bis sie wieder vor einer Tür standen. Der Bursche gab ein Klopfzeichen, worauf die Tür von innen aufging. Ein Soldat winkte sie herein. Sie traten in einen weiten unterirdischen Raum, der spärlich von Talglichtern ausgeleuchtet wurde und von dem verschiedene Gänge abgingen. Vor einer Tür wachten Soldaten. Sie musterten Lips neugierig, sagten jedoch nichts und öffneten die Tür. Der Bursche winkte Lips, ihm zu folgen. Auch hinter der Tür wachten zwei Soldaten, die stumm zur Seite traten.
    Lips trat in ein großes unterirdisches Laboratorium. Zuerst sah er die vielen mannshohen Brennöfen, an denen gearbeitet wurde, ungeheure Mengen an chymischen Apparaten und – Lehmhaufen. Auf den ersten Blick sah Lips ein halbes Dutzend Laborknechte, die Feuer schürten, Gefäße reinigten und mit Materien hantierten. In einer Ecke stand ein Handkarren, der mit zerborstenen Gefäßen aus braunem Lehm beladen war.
    »Mein Freund!« Böttger stieg aus einem Brennofen, ging mit offenen Armen auf ihn zu, umarmte ihn und raunte ihm ins Ohr. »Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher