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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher
Autoren: Roland Adloff
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abklopfte.
    Als Lips aufblickte, fiel Anna kraftlos zurück auf das Lager. Schnell drehte er Frieder auf den Rücken und durchsuchte die Innentaschen seiner Jacke. Er fand einen Geldbeutel, eine Pistole und einen Brotkanten. Lips steckte alles ein und sah dabei, wie Frieder seine blutverschmierte Hand anhob und anstierte.
    Lips setzte Anna wieder auf. Sie blickte geistesirre und zuckte ängstlich zurück, als er ihre Wange streicheln wollte. »Komm! Du musst gehen!« Sie wimmerte auf, da fasste er sie hart und zog sie hoch. Anna schwankte, als er sie zum Schrank führte. Er hörte noch, wie Frieder röchelte und würgte. Er drückte Anna in den Schrank und zwängte sie durch das Loch in der Wand. Auf der anderen Seite versuchte Anna zu gehen, sie wankte und sackte nach einigen Schritten zusammen. Er schulterte sie und trug sie über den Dachboden. Erschöpft ließ er sie auf den Boden herab und führte sie die Treppe hinunter in die erste Etage. Einen Augenblick horchte er. Unten im Hof schrien die Menschen. Er führte sie die Treppe hinunter. Im Hausflur war die Tür zum Hof offen. »Der Herr Pfarrer!«, schrie jemand. »Schnell! Der Herr Pfarrer!« Er sah die Menschen hin und her laufen.
    »Schnell jetzt!«, sagte Lips. Er führte Anna durch den Flur hinüber in den Viehstall. Durch ein Stallfenster sah er nach draußen. Qualm drang aus dem Eingang zum Laboratorium. Pfarrer Porstmann wurde von den Knechten in den Hof getragen und vorsichtig abgelegt.
    »Ein… holt ein… holt einen Medicus!«, rief der Hausknecht und fuchtelte hilflos mit den Armen.
    Im Dämmerlicht sah Lips, wie sich der Apotheker zu Pfarrer Porstmann kniete und dieser die Hand etwas anhob. Der Hausknecht hielt die Hand des Pfarrers, damit er sich nicht ins Gesicht fasste.
    Im Dunkeln des Viehstalls ertastete Lips eine Mistgabel und hebelte damit das Vorhängeschloss zum hinteren Ausgang aus, dann zog er Anna hoch, legte die Tür wieder an und führte sie durch die Gassen der Hinterhöfe. Sie verbargen sich die Nacht über in einem Winkel in der Paddengasse. Lips ertastete die Münzen aus Frieders Geldsack: zehn Taler und einige Groschen. »Es wird reichen«, machte er sich Mut.
    Noch vor Morgengrauen führte er Anna in Richtung Leipziger Tor. Sie hockten etwas entfernt von der Ecke des königlichen Gießhauses. Das erste Licht kündete den Tag an, und Lips sah in das zerschlagene Gesicht von Anna. Sie hielt den Mund ängstlich gepresst und zitterte am ganzen Leib. Er legte seinen Arm um Anna und fasste ihre Hand.
    Die Glocken schlugen die sechste Morgenstunde aus, und die ersten Karren fuhren in Richtung des Leipziger Tores. Lips ließ einige passieren und wartete, bis ein Karren angeschaukelt kam, der hoch mit Mist beladen war. Auf dem Bock saß ein junger Bauernbursche. Seinen Hut hatte er keck in den Nacken geschoben, und er pfiff die Melodie eines Bierliedes. Lips winkte dem Burschen anzuhalten. Sie waren sich schnell einig. Fünf Taler verlangte er für sich und drei brauchte er für die Torwächter. Lips schlug ein.
    Sie folgten dem Karren ein paar Straßen weiter in eine Scheune. Der Bauer schlug unter dem Mist mit Brettern ein enges Versteck aus, in das sie hineinkrochen. Lips hielt Anna die ganze Zeit dicht an sich gepresst. Der Karren hielt immer wieder an. Stimmen waren zu hören, auch das überkecke Lachen des Burschen, dann pfiff er wieder seine Melodie, und sie schaukelten durch das Stadttor. Auf einem Acker in der Vorstadt ließ sie der Bursche aus ihrem Versteck krabbeln. Sie verbargen sich erst einmal in einem Wäldchen. An einem Bach schöpften sie Wasser, und er weichte Frieders Brotkanten zu einer Pampe auf.
    Dann zog es Lips den Weg zurück, den er schon einmal mit der Mutter gegangen war.

45
    Anna war so schwach, dass sie immer nur kurze Strecken gehen konnte. Dann musste sie sich ausruhen, oder Lips trug sie ein Stück auf seinem Rücken. Immer wieder drehte Lips sich um. Seine Goldprobe würde sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Sie würden überall nach ihm suchen.
    Wie vor vielen Jahren mied er die großen Straßen und umging die Städte und Dörfer. Begegneten ihnen Fußreisende oder Kutschen, dann versuchte Lips möglichst große Entfernung zu halten, oder sie versteckten sich am Wegesrand. Er flüsterte beruhigend auf Anna ein, strich ihr über das Haar und hielt sie fest in seinen Armen, bis der Reisende vorüber war, dann ging es weiter, und Anna stolperte wieder neben ihm her. Er drängte und trieb sie an, weil er
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