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Den letzten beißt das Schwein

Den letzten beißt das Schwein

Titel: Den letzten beißt das Schwein
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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sich eine silberne Zigarettendose vom Eichentisch. Reflexartig stöberte ich in der Hosentasche nach einem Feuerzeug, bis mir einfiel, dass ich Nichtraucher war.
    »Meinst du, die Drohung ist ernst gemeint?« Günter war aufgestanden. Auch wenn er absolut cool wirkte, schien es ihm an die Nieren zu gehen.
    »Na klar. Du solltest gut auf dich aufpassen, mein Schatz«, säuselte die blonde Schönheit.
    »Falls du einen Leibwächter benötigst, sag Bescheid.« Ich dachte an meinen Essener Kumpel Peter Gurkennase Grabowski, ein erfolgloser Lebenskünstler, der mich aber schon bei einigen Fällen unterstützt hatte.
    »Lass die Kirche im Dorf, noch ist nichts passiert«, winkte Günni ab und ließ sich wieder fallen.
    »Du hast gerade von drei Kindern gesprochen«, lenkte ich das Gespräch wieder in die ursprüngliche Richtung.
    »Jürgen ist mit vierundzwanzig unser Jüngster. Er hat seinen eigenen Kopf, stur wie ein Ochse. Er ist leidenschaftlicher Musiker und beherrscht zig Instrumente. Sein Geld verdient er durch Auftritte bei Schützenfesten, Geburtstagen und Hochzeiten, wobei jeder Cent wieder in neues Equipment gesteckt wird. Jürgen ist auch der Einzige, der nicht auf dem Hof lebt. Er ist schon mit achtzehn ausgezogen, obwohl wir uns gut verstehen. Wie schon gesagt, ein absoluter Dickkopf, der seinen eigenen Weg geht.«
    »Habt ihr Schwierigkeiten miteinander?«
    »Nicht, dass du mich falsch verstehst«, er schüttelte den Kopf, »ich respektiere Jürgen, ziehe sogar den Hut vor ihm. Ich bin als Kind genauso ein sturer Bock gewesen, und geschadet hat es weiß Gott nicht.«
    »Keinerlei Streitigkeiten?«, hakte ich nach.
    »Du bist auf der falschen Fährte, Dieter. Ich will keine Verdächtigungen in Richtung Familie oder Betriebsangehörige hören. Das stiftet nur Unfrieden.«
    »Wenn ich euch helfen soll, dann auf meine Art. Jemand hat dich massiv bedroht, und ich möchte ungern Nelken auf deinen Sarg werfen, nur weil ich schlampig gearbeitet habe.« Allmählich wurde ich müde von der Fragerei, außerdem bekam ich Schmacht, als der Tabakqualm in meine Nase zog. Trotzdem machte ich weiter: »Mit dem Personal werde ich mich morgen mal diskret unterhalten. Wie sieht es denn bei den Feriengästen aus?«
    »Zurzeit sind nur drei Wohnungen vermietet, ist noch Vorsaison. Alles Stammgäste und über jeden Verdacht erhaben.«
    Unauffällig rückte ich etwas näher an Emily heran, genau genommen an ihre Zigarette.
    Die Chefin übernahm das Wort: »Da wäre zunächst Dr. Hasenbleek mit Frau und zwei kleinen Kindern, Lukas und Annika. Eine nette Familie. Er ist Jurist bei RWE in Essen. Sehr aktiv, nehmen all unsere Angebote wahr. Dann noch die Familie Möllenberg. Justin und Angele mit der vierjährigen Chantal. Denen hat das Amt den Urlaub gesponsert, schon zum dritten Mal. Sind aber trotzdem nette Leute, etwas lethargisch, aber manche Menschen ruhen sich halt gern aus.« Überraschte mich nicht, dass Emily dafür Verständnis zeigte.
    »Das ist unnötiges Gequatsche«, fuhr Günter seiner Göttergattin über den Mund. »Unsere Gäste haben damit nichts zu tun.«
    »Wenn Dieter die Informationen braucht, soll er sie haben«, konterte Emily. »Schließlich geht es um Leben und Tod.«
    Günter zog einen Flunsch, schwieg aber.
    »Dann noch das Ehepaar Franke. Zwei Kölner Gymnasiallehrer um die vierzig. Die nutzen die Osterferien für Radwanderungen durchs Münsterland. Angenehme Leute, manchmal ein bisschen besserwisserisch. Aber wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein.«
    Ich klappte mein Notizbuch zu. Genug für heute.
    »Wenn du den Penner schnappst, gibt es einen Bonus von fünf Riesen«, sagte Günter. »Aber bitte arbeite schnell. Ich kann mir nicht leisten, dass mein Ruf beschädigt wird.«
    Einmal die Flossen geschüttelt, dann war mein Arbeitstag beendet. Mein Oldtimer startete mit leichtem Stottern, und ich trieb die Tachonadel nicht höher als fünfzig. Dennoch blieb der Wagen auf einmal stehen. Verdammte Hacke, ich hatte zu tanken vergessen. Die Reserve reichte bei diesem Spritfresser anscheinend nur für zwei Kilometer. Sofort schoss mir der Song eines älteren Aral-Werbespots durch den Kopf: »I’m walking«. Ich verfluchte die komplette Nannensippe bis in alle Ewigkeit. Aus lauter Frust hätte ich mir eine Zigarette angesteckt, wenn ich eine dabeigehabt hätte.
    Doch manchmal geschahen noch Wunder. Rund dreißig Fahrzeuglängen vor mir erblickte ich einen hellgrünen Peugeot, der dem Auto meiner
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