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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film
Autoren: Jonas Winner
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›Audience‹-Film sieht, bei den Dreharbeiten zu Tode gekommen wäre.
     Aber das stimmte nicht. Der Junge lebt.«
    Plötzlich schien sich alles um Flo herum zu drehen.
    »Soll das heißen, Marin ist von David beauftragt worden, getürkte Beweise gegen ihn vorzulegen?«, stieß er hervor.
    »Fragen Sie mich nicht, was Mosbach damit bezweckt hat. Fest steht, dass er Marin in der Hand hatte. Auch wenn der ›Audience‹-Film
     kein echter Snuff ist – Mosbach und Marin haben zusammen Filme gemacht, die nicht nur in ihrer Brutalität und Blutrünstigkeit
     weit über das hinausgehen, was bei uns erlaubt ist, sondern bei deren Produktion auch schwere Verbrechen begangen worden sind.
     Soweit wir bisher wissen, sind zwar keine Menschen zu Tode gekommen. Vor echten Verletzungen, vor Tierquälerei, auch vor einer
     Vergewaltigung sind sie jedoch nicht zurückgeschreckt.«
    »Deshalb hat Marin die gefälschten Belege abgeliefert. Er hatte Angst, dass David ihn auffliegen lässt.«
    »Sieht so aus. Aber dann ist ihm die Sache wohl doch zu heiß geworden – und er wollte aussteigen. Das hat er nicht überlebt.«
    Flo fühlte, wie ihm die Wut in den Kopf stieg. »Washeißt denn das, Riemschneider? Wie können Sie sicher sein, dass Herr Marin nicht doch einem Autounfall zum Opfer gefallen
     ist? Haben Sie stichhaltige Beweise für diese Anschuldigungen?«
    »Wir haben den Mann, der den Lieferwagen gefahren hat.«
    »Und?«
    »Er hält dicht. Aber er ist einschlägig vorbestraft. Manch einer wird sagen: ein armer Teufel. So arm, dass er für ein paar
     tausend Euro bereit ist, einen wildfremden Menschen über den Haufen zu fahren.«
    »Das können Sie doch gar nicht beweisen!«
    »Wir sind dabei, die fehlenden Puzzleteile zusammenzufügen. Noch sind wir nicht so weit – aber das ist nur eine Frage der
     Zeit. Wie wurde er beauftragt, was ist mit seinem Honorar, wo hatte er den Wagen her? Das sind eine Menge Spuren. Wir arbeiten
     eine nach der anderen ab.«
    Flo nickte. Also doch. David war in Hannes‘ Tod verwickelt. Einen Moment lang hörte er nur das Rauschen in der Leitung.
    Dann ertönte Riemschneiders Stimme wieder. »Nur an einen kommen wir wohl nicht mehr ran.«
    »An Tegtmeyer.«
    »Er hat sich ins Ausland abgesetzt. Wahrscheinlich nach Thailand.«
    Flo sah den Mann vor sich. Die kleinen, stechenden Augen, das spitze Gesicht.
    »Dabei verstehe ich eines nicht«, sprach Riemschneider weiter. »Tegtmeyer war ganz versessen auf Mosbachs Filme. Er bekam
     Formen von Gewalt und Sex zu sehen, die ihm sonst keiner bieten konnte. Er war bereit, vielGeld dafür zu bezahlen. Aber der ›Florian‹-Film? Seine Gier nach abartigen Szenen kann er damit doch nicht befriedigt haben.
     Warum hat er ihn dann finanziert? Wirklich um Geld damit zu verdienen? Ursprünglich sollte der Film ja groß im Kino rauskommen.
     Unter dem Titel ›Tabu‹ war er sogar schon beworben worden. Als jedoch bekannt wurde, dass ein echter Tod, Mosbachs Tod, darin
     zu sehen sein würde, wurde die Genehmigung für den Vertrieb wieder entzogen.«
    Das wird Tegtmeyer und David kaum überrascht haben, dachte Flo. Wahrscheinlich wollten sie mit der Werbung für »Tabu« nur
     die Aufmerksamkeit der Leute auf den »Florian«-Film lenken.
    »Trotzdem: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tegtmeyer diesen Film finanziert hat, um Geld damit zu machen«, hörte er Riemschneider
     sagen. »Warum aber dann?«
    Ohne zu antworten, legte Flo auf. Ihn schwindelte, und er barg sein Gesicht in den Händen. Ja, er wusste, warum Tegtmeyer
     den Film bezahlt hatte und was David mit seinem letzten Film erreichen wollte. Der »Florian«-Film funktionierte genau so,
     wie David sich das gedacht hatte. Wie David es ihm in Babelsberg angekündigt hatte. Und er hatte zwei Leben gekostet. Davids
     und Hannes’.
    Wieder sah Florian das Gesicht von Hannes’ Töchterchen vor sich. Wie es ihm nachschaute, als er sich auf der Straße noch einmal
     zu dem Haus umgedreht hatte. Dann sah er David vor sich, der in den Tod stürzte, so, wie der Film es gezeigt hatte – verraten
     und hintergangen von seinem Freund. Wer das sah, für den musste es feststehen: Man hatte sich getäuscht. Nicht David war der
     Täter undFlorian das Opfer. Sondern Florian war der Täter und David das Opfer. Dabei war es in Wahrheit genau andersherum. Das zu verschleiern
     war David perfekt gelungen. Bei ihm war der Gute der Böse und der Böse der Gute.
    Es war ihm gelungen, seine Zuschauer für eine neue,
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