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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film
Autoren: Jonas Winner
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musste man den Eindruck gewinnen, dass er sich schamlos an Davids Freundin heranmachte.
     Dass er ihre Trauer über das ungewisse Schicksal ihres Freundes regelrecht ausnutzte. Dass er sie verstohlen ansah, ihr sogar
     die Hand auf den Arm legte und nicht bemerkte, wie sie immer wieder versuchte, von ihm abzurücken.
    Nicht anders wirkte die Begegnung zwischen Florianund Hannes, die aus dem Café heraus mitgedreht worden war, von dem aus man eine gute Sicht auf den Garten hatte, in dem sie
     sich begegnet waren. Es war offensichtlich, dass Hannes Florian auf Abstand halten wollte, dass Flo aber nicht locker ließ,
     bis Hannes schließlich halb außer sich in den Geländewagen flüchtete, der auf der Straße vor dem Café auf ihn gewartet hatte.
     Und auch dann noch ließ Flo nicht locker, sondern rannte ihm nach, packte sogar den Türgriff des anfahrenden Wagens und hämmerte
     gegen die Scheibe!
     
    Flo stoppte den Film, ging in die Küche und schenkte sich Weißwein nach. »Florian« hatte David den Film genannt. Tatsächlich
     war er die Hauptfigur in dem Stück. Aber um was ging es David darin? Fest stand für Flo jetzt jedenfalls, dass David ihn nur
     aus einem einzigen Grund nach Berlin gelockt hatte. Er wollte diesen Film drehen, den Florian gerade sah. David hatte »Tabu«
     von Anfang an nur als Vorarbeit für »Florian« geplant. Und dieser Film, »Florian«, war es auch, wohin der Weg führte, den
     er mit dem »Auge« zu beschreiten begonnen hatte. David hatte es ihm selbst gesagt. Er wollte mit seinem letzten Film nach
     dem »Metafilm« und den Doku-Clips etwas ganz Bestimmtes erreichen. Er wollte eine neue Moral propagieren. Mit diesem Film?
     Mit ihm, Florian, als Hauptfigur?
    Flo nahm einen Schluck aus dem Glas, schenkte sich nochmals nach, kehrte an seinen Schreibtisch zurück und ließ den Film weiterlaufen.
    Auch in seinem Hotelzimmer im Savoy war eine versteckte Kamera installiert gewesen. Natürlich. Das Zimmer hatte er über Hölzemanns
     Sekretärin bekommen, und dass Hölzemann und David unter einer Decke gesteckt hatten, wusste er ja bereits. Man sah, wie Flo
     »Das Auge« Bild für Bild am Fernseher durchging, wie er dem Interview mit David folgte, das er auf der DVD gefunden hatte.
     Man sah ihn mit Thea im Einstein sitzen, aufgenommen offenbar von einem anderen Gast, der für David arbeitete. Kurz darauf
     pöbelte er Walter vor der Galerie Tegtmeyer an, gedreht durch die Sichtschlitze in den Scheiben der Galerie. Und je länger
     man ihm zusah, desto mehr irritierte einen das Verhalten dieses Typen, der in Davids Leben herumschnüffelte, Davids Freunde
     vor den Kopf stieß, seine Freundin bedrängte und sich bei all dem selbst ein wenig gehenzulassen schien.
    Als Nächstes sah man ihn aus einiger Entfernung mit Hannes durch die winterlichen Bäume im Wald spazieren. Was sie besprachen,
     war allerdings kaum zu verstehen. Offensichtlich war Hannes – ebenso wie Thea – bei den Aufnahmen nicht verkabelt gewesen.
     Und das Richtmikro, das Davids Leute benutzt hatten, hatte nur einen sehr schlechten Ton eingefangen. Doch immerhin gut genug,
     um den Eindruck zu erwecken, Florian würde Hannes weiterhin zusetzen, obwohl der ihn wiederholt darum bat, aus der ganzen
     Sache herausgelassen zu werden. Bis Hannes ihn plötzlich stehen ließ, in seinen Wagen sprang und losraste, aufgewühlt, gepeinigt
     und gequält von Florians Drängen und Bohren.
    Nach einem Umschnitt sah man den Geländewagen die Straße herunterrasen, auf eine zweite Kamera zu, die sichin einem der parkenden Autos vor Hannes’ Bungalow befunden haben musste. Man sah den Geländewagen halten, Hannes die Wagentür
     aufstoßen und kopflos auf die Straße laufen – auf der genau in diesem Augenblick ein Lieferwagen heransauste, dessen Fahrer
     offenbar nicht mehr rechtzeitig auf die Bremse treten konnte. Es knallte, Hannes wurde erfasst, durch die Luft geschleudert
     und krachte aufs Pflaster, während der Fahrer des Lieferwagens, dessen Gesicht man aus diesem Kamerawinkel nicht sehen konnte,
     offenbar in Panik Gas gab und in der nächsten Sekunde samt seinem Wagen aus dem Bildausschnitt verschwunden war.
    Dann war Florian zu erkennen, der atemlos vor dem Bungalow ankam, die Umstehenden befragte und zu dem Haus ging. Auch in Hannes’
     Bungalow musste gefilmt worden sein, denn als Nächstes sah man Florian in das Haus kommen, sah, wie Hannes’ Frau außer sich
     auf ihn zustürzte, wie sich die verzweifelte Wut der
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