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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film
Autoren: Jonas Winner
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an
     seinen Schreibtisch gesetzt. Er wollte den Abend nutzen, um seine Mail-Korrespondenz zu erledigen. Da stieß er noch einmal
     auf Davids Namen.
    Seit er aus Berlin zurückgekehrt war, hatte er beschlossen, seinem Leben in Madrid noch eine Chance zu geben. Am Anfang war
     es besser gelaufen, als er zu hoffen gewagt hatte, doch lange hatte die Glückssträhne nicht angehalten. Inzwischen stand er
     mehr oder weniger wieder genau dort, wo er sich schon vor seinem Berlin-Trip befunden hatte. Er gab mehr Geld aus, als er
     verdiente, und sagte sich jeden Morgen, dass sich bald etwas ändern müsse, wenn er nicht in ein paar Monaten feststellen wollte,
     dass nun auch die letzte Reserve aufgebraucht war.
    Es war eine Mail von Riemschneider, die ihn auf David brachte. Ihr Betreff war »Mosbach«, und sie war äußerst kurz. »Ich dachte,
     das könnte Sie interessieren«, lautete sie, »in der Anlage schicke ich Ihnen auch das Ergebnis unserer Untersuchung zu dem
     Video.« Darunter hatte der Polizist einen Link abgespeichert. Flo aktivierte die Verbindung.
    Nachdem sich sein Browser aufgebaut hatte, wurde er zu einem Clip auf einer Videoplattform gebracht. Neugierig sah sich Florian
     die Angaben an, die auf der Site zu dem Clip standen, während der Film geladen wurde. Als er den Titel des Videos sah, zuckte
     er unwillkürlich zusammen. Der Titel war »Florian«! Und dann sah Flo, wer den Film gemacht hatte. David Mosbach. Natürlich!
     Mit einem Mal war er wie elektrisiert.
    Ein Film von David, der »Florian« hieß? Hastig öffnete er eine Suchmaschine, gab »Mosbach« und »Florian« ein und erzielte
     zahlreiche Treffer. Der Film war auf mehreren Plattformen im Netz zu finden! Er klickte eine Filmdatenbank auf, dort fand
     er weitere Informationen. »Florian« sei Mosbachs letzter Film gewesen, stand dort. Viele Fans würden den Streifen für sein
     Hauptwerk halten, in dem er die für ihn typische Mischung aus Fakten und Fiktion auf die Spitze getrieben habe. Seit 2006
     habe er an dem Film gearbeitet, unter dem Arbeitstitel »Tabu« habe der Streifen bereits in der Drehphase Schlagzeilen gemacht,
     weil die Produktion nach außen hin hermetisch abgeschottet worden war.
    Flo schluckte. Dieser Clip war das, was aus »Tabu« geworden war? Der endgültige Titel war »Florian«?
    Angespannt klickte er sich zurück zu der Videoplattform, auf die Riemschneider ihn hingewiesen hatte. Als der Cursor über
     dem Icon schwebte, über das man den Film streamen konnte, hielt er inne. Sollte er es vielleicht besser bleiben lassen? Aber
     während er noch darüber nachdachte, hatte sein Zeigefinger schon die Maus aktiviert – und der Film begann.
    Als Flo die ersten Bilder sah, erkannte er sie sofort wieder. Es waren Bilder aus dem Stück, das David ihm unter dem Titel
     »Tabu« in Babelsberg vorgeführt hatte. Dieser Film hier, mit dem Titel »Florian«, begann mit dem heftigen Streit zwischen
     ihnen, der der Höhepunkt von »Tabu« gewesen war. Rücksichtslos stauchte der junge David den jungen Flo am Telefon zusammen.
     »Du und ich – das ist nicht das Gleiche! Du bist ein netter Kerl, aber deine Ideen sind Scheiße. Wir haben vielleicht gleich
     lange an dem Skript gearbeitet, aber das heißt nicht, dass wir gleich viel daraus gemacht haben!«
    Man sah Florian, der von der ungebändigten Wut, vom Hass des Freundes wie erschlagen wirkte, der sich nicht wehren zu können
     schien, verschreckt, getroffen, enttäuscht davon, dass der andere ihn so geringschätzte.
    Während Flo der Szene zusah, fiel ihm wieder ein, was er David nach der Vorführung in Babelsberg gesagt hatte. Dass der Film
     nicht funktioniere. Dass kein Zuschauer, der miterlebt hatte, wie David ihn anschrie, auch nur eine Sekunde lang von dem,
     was David sagte, überzeugt sein würde. Nein, David war nicht überzeugend – er war vielmehr abstoßend. Und genau das empfand
     Florian auch jetzt wieder, als er die Szene verfolgte.
    Der Film lief weiter. Nach dem Streit – den Flo ja schon kannte – folgte eine Rückblende, die er zwar noch nicht gesehen hatte,
     die aber in eine Zeit führte, die ihm ebenfalls nur zu bekannt war. In eine Zeit, als sie noch bei ihren Eltern gewohnt hatten,
     in zwei Wohnungen übereinander, in dem Haus mit der Eckkneipe von Davids Vater.
    Mit viel Liebe zum Detail und einem guten Auge fürdas Zeitkolorit hatte David diese Rückblende inszeniert. Die beiden Jungen, die die Rollen von David und Florian übernommen
    
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