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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film
Autoren: Jonas Winner
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hatten, machten ihre Sache ganz ausgezeichnet. Voller Begeisterung vertieften sie sich in ihr Kriegsspielzeug, voller Begeisterung
     begannen sie, das Kino für sich zu entdecken. Und immer wieder war es der junge David, der mit seinen überraschenden Ideen
     ihren Spielen neue Impulse verlieh. Wer war es, der als Erster seine Leidenschaft für den Film entdeckte? David. Wer kam auf
     die Idee, selbst Filme zu machen? David. Wer besorgte sich eine Filmkamera und drehte? David. Und wer folgte ihm in all diesen
     Schritten? Florian.
    Die lange Rückblende mündete schließlich in den Streit um das Skript. Als man diese Auseinandersetzung nun jedoch zum zweiten
     Mal sah, verfolgte man sie mit ganz anderen Augen. Sicher, wie David Flo anschrie, das war nicht schön. Andererseits – so
     musste man als Zuschauer, so musste Flo als Zuschauer unwillkürlich denken   –, ganz unrecht hatte David ja nicht. Florian war ihm über die Jahre hinweg immer gefolgt. Immer wieder hatte David ihn an
     seinen Ideen teilhaben lassen, immer wieder hatte er Florians Leben neue Impulse gegeben. Natürlich hatte auch Florian seinen
     Beitrag zu dieser Freundschaft geleistet. Nicht jedoch mit Ideen, die sie vorangebracht hätten. Eher dadurch, dass er einfach
     anwesend war, dadurch, dass er dem anderen eine Projektionsfläche bot, auf der der seine Einfälle prüfen konnte. Kein Wunder
     also, wenn David meinte, das Verdienst für das Skript, in das all seine Ideen eingeflossen waren, die er über die Jahre hinweg
     geformt, formuliert und perfektioniert hatte, läge vor allem bei ihm und nicht bei Florian, auch wenn der sichredlich bemüht hatte, dem anderen als Stichwortgeber zu dienen.
    Und doch: Die Art und Weise, wie David seinen Freund, mit dem er all seine Bemühungen, Irrwege und Höhenflüge geteilt hatte,
     in diesem Streit abkanzelte, befremdete einen noch immer.
    Doch damit war der Film nicht vorbei. Vielmehr machte er nach dem Streit einen gewaltigen Zeitsprung nach vorn. Als Flo das
     nächste Bild sah, verschlug es ihm beinahe den Atem. Da war er, er selbst, nicht irgendein Schauspieler, er selbst, wie er
     ankam am Flughafen Tegel, im letzten Winter, als er in Hölzemanns Auftrag nach Berlin gereist war. Er trug seinen dünnen Regenmantel
     und eilte durch das Flughafengebäude zum Ausgang. Man erkannte in ihm unwillkürlich den jungen Mann aus der Rückblende wieder,
     gealtert, sicher, aber doch unverwechselbar.
    Sie mussten ihn bei seiner Ankunft gedreht haben! Natürlich! Die junge Frau, die ihn auf dem Flughafen angestarrt hatte. Sie
     war es gewesen, die die Aufnahmen gemacht hatte!
    Als Nächstes sah man ihn das Sachs betreten, das Lokal, in dem er sich mit Walter getroffen hatte. Die Bildqualität war nicht
     besonders gut, aber sie waren deutlich zu erkennen. Offensichtlich hatte jemand sie durch das große Fenster des Restaurants
     hindurch gefilmt, ohne dass er etwas bemerkt hatte. Auch was sie besprochen hatten, war gut zu verstehen. Walter musste verkabelt
     gewesen sein und den Ton aufgezeichnet haben. Doch nicht das war es, was Florian vor allem auffiel, als er ihrem Gespräch
     jetzt zusah. Was ihm vor allem auffiel, war, wie freundlich, hilfsbereit und aufgeschlossen Walter in denAufnahmen wirkte. Ganz im Unterschied zu Flo selbst, der den anderen eher misstrauisch zu belauern schien.
    Er erinnerte sich, dass es ihm bei ihrem Gespräch genau andersherum vorgekommen war, dass er Walter als jemanden empfunden
     hatte, vor dem man sich in Acht nehmen musste – während es in dem Film, den er jetzt sah, vielmehr so wirkte, als sei er,
     Flo, derjenige, der unangenehm war, der schamlos ausfragte und auch dann noch hartnäckig nachbohrte, als längst klar war,
     dass Walter versuchte, ihm auszuweichen.
    Es folgte die Begegnung zwischen Florian und Thea in der Potsdamer Villa. Als er Thea jetzt in dem Film wiedersah, gab es
     ihm einen Stich. Er war sich sicher, dass sie nichts von den Aufnahmen wusste, die gemacht worden waren, während sie redeten.
     Es waren Aufnahmen, die zum Teil vom Garten aus durch die große Fensterfront hindurch geschossen worden waren, zum Teil von
     den verschiedenen Überwachungskameras stammten, die in der Villa installiert waren. Aus den unterschiedlichen Blickwinkeln
     ergab sich ein gutes Bild ihres Gespräches, und auch hier wieder fiel Florian auf, wie sehr seine Erinnerung abwich von dem,
     was er jetzt von dem Gespräch wiedersah.
    Wenn man ihm in diesem Film zuschaute,
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