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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film
Autoren: Jonas Winner
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Tod mit
eingeplant
für den Film? Und Anweisungen hinterlassen, wie der Tod in den Film eingebaut werden musste?
    Er erinnerte sich, dass Riemschneider in seiner Mail ein Dokument mitgeschickt hatte, in dem die Ermittlungen zu dem Film
     zusammengefasst waren. Mit zwei Klicks hatte Flo das Dokument in der Anlage der Mail geöffnet. Gebannt überflog er die Zeilen,
     in denen der zuständige Beamte vom LKA seine Ermittlungsergebnisse dargelegt hatte.
    »…   handelt es sich zweifelsfrei um eine Collage aus verschiedenen Formaten: Aufnahmen, die mit kleinen Digitalkameras gemacht
     wurden, auf Video umkopierte Filmaufnahmen, Bilder, die von Überwachungskameras stammen, sowie Material, das eindeutig vom
     Dok-Trupp der Kollegen vom SEK gefertigt wurde. Das gesammelte Material ist auf einem Online-Schnittplatz auf ein gemeinsames
     Format umgespielt und zusammengefügt worden.
    Da der Schnitt professionell durchgeführt wurde, sind die in Berlin ansässigen Cutter systematisch befragt worden. Der verantwortliche
     Schnittmeister konnte ausfindiggemacht werden. Seine Vernehmung hat die Gerüchte, die in einschlägigen Netz-Foren im Umlauf sind, bestätigt: Mosbach muss
     vor seinem Tod eindeutige Aufzeichnungen darüber angefertigt haben, wie der Film fertigzustellen sei. Dem Cutter wurden fast
     neunzig Prozent des Films bereits fertig zusammengeschnitten angeliefert. Außerdem bekam er detaillierte Anweisungen von Mosbach,
     wie er die Bilder von dessen Tod in das übrige Material einzufügen habe.
    Der Cutter konnte glaubhaft versichern, dass er keinerlei Kontakt zu Mosbach hatte, auch nie zuvor mit ihm gearbeitet hatte.
     Das Honorar, das ihm auf sein Konto überwiesen wurde, konnte jedoch zu einem Unternehmen zurückverfolgt werden, an dem unter
     anderen auch Robert Tegtmeyer beteiligt ist.
    Tegtmeyer ist durch den Boom des Berliner Kunstmarkts in den achtziger Jahren zu Geld gekommen und hatte bereits 1996 bei
     der Produktion ›Das Corps‹ mit Mosbach zusammengearbeitet. Es ist davon auszugehen, dass er die Kosten für die Postproduktion
     von ›Florian‹ getragen hat. Völlig unklar ist allerdings, warum er diese Finanzierung übernommen hat, da der Film auf mehreren
     Videoplattformen für einen unentgeltlichen Konsum eingestellt worden ist.
    Befragt werden konnte Tegtmeyer dazu nicht mehr. Bei der Fahndung nach seiner Person stellte sich heraus, dass er bereits
     am Tag nach Mosbachs Tod Deutschland verlassen hat. Beamte brachen seine Wohnung in Berlin-Mitte auf: Sie war geräumt. Der
     Aufenthaltsort von Herrn Tegtmeyer ist unbekannt. Um seine Galerie in der Linienstraße kümmert sich Rechtsanwalt Walter Kunert.Nach Tegtmeyer befragt, gab Kunert sich überrascht, dass er nicht mehr in Berlin sei. Herr Tegtmeyer habe ihn über seine Pläne
     nicht in Kenntnis gesetzt. Welche Absicht Tegtmeyer mit der Finanzierung des ›Florian‹-Films verfolgt haben könnte, wusste
     Kunert nicht.«
    Damit endete der Bericht. Flo schloss das Dokument wieder und klickte sich zurück zum Film, der noch immer in dem Moment eingefroren
     war, als das SEK die Kneipe observierte, in der Flo sich mit David verabredet hatte.
    Tegtmeyer, Walter, David, Hölzemann – wer steckte noch alles mit drin?, dachte er. Das waren die Leute, die David gemeint
     hatte, als er von »uns« gesprochen hatte. Er hatte ihn zu einem von ihnen machen wollen. Zu einem von den Leuten, deren Verbindungen
     weit genug reichten, um an das Filmmaterial des Dok-Trupps vom SEK zu kommen oder an das Überwachungsmaterial eines chinesischen
     Bergwerks oder an das Material des »Doc-Clips«, des »Cop-Clips« und wie sie alle hießen. Leute, die einflussreich genug waren,
     um auch diesen Film hier zu produzieren. Aber warum? Warum taten sie das?
    Nachdenklich aktivierte Florian den Play-Button und ließ den Film weiterlaufen.
     
    Es folgten verwackelte Bilder, die der Polizeikameramann im Laufen aufgezeichnet haben musste. Auf der Tonspur war die metallisch
     klingende Stimme des Truppführers zu vernehmen, der via Headset mit seinen Männern kommunizierte. Sie müssten umdisponieren,
     Mosbach wollte Baumgartner auf dem Dach treffen, hörte man ihn sagen. Mit einem Tritt wurde die Tür zum Vorderhausrechts neben dem, in dem Flo verschwunden war, aufgestoßen. Die Beamten hasteten die Treppe hoch. Die Luke zum Dach war verschlossen,
     Sekunden später aufgebrochen.
    Wie Katzen huschten die Polizisten ins Freie, dicht gefolgt von ihrem Kameramann.
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