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Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)

Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)

Titel: Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
Autoren: Julie Hastrup
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JULI
»Sofie, lauf nicht zu weit weg. Es gibt bald Essen.«
Die Stimme ihrer Mutter perlt durch die frische Luft und rauscht an Sofie vorbei, die, so schnell sie kann, zum steilen Grashügel läuft. Sofie ignoriert die Stimme, sie will nicht umkehren, sie will auf den Hügel hinauf, sie klammert sich mit den Fingern an dem groben Netz fest und schwingt sich der Kuppe des Hügels entgegen. Sie hat sich seit Wochen auf diesen Ausflug zum Naturspielplatz gefreut, sie haben ihn wegen des Regenwetters mehrmals verschoben, und obwohl Onkel Bo doch nicht aufgetaucht ist, wie er es versprochen hat, spürt sie die Vorfreude wie ein Prickeln auf der Haut.
»Fie, Fie …«, sie hört die Stimme ihres kleinen Bruders irgendwo aus der Menschenmenge unter sich und hält kurz inne. Sie nimmt ihn sonst immer mit, das erwarten die Erwachsenen von ihr. Aber jetzt mag sie nicht. Nicht heute. Sie blinzelt in das grelle Licht, schließt eine Sekunde die Augen, nimmt die Gerüche in sich auf: nach saftigem Gras, nach Schweiß und Grill, und die Geräusche: ein Summen von Kinderstimmen, einzelne Freudenschreie, einen Hund, der bellt.
Kurz darauf erreicht sie die Kuppe, außer Atem und stolz. Sie lässt den Blick über das Gelände schweifen, hat das Gefühl, auf dem Gipfel der Welt zu stehen, unter ihr wogt die Menschenmenge, vor allem Kinder, wie kleine, farbige Wellen. Sie entdeckt ihren Bruder in der Menge, erkennt das blonde, abstehende Haar, die etwas zu engen Shorts. Er steht verloren in einer Gruppe älterer Kinder, dreht das rotbackige Gesicht erst zur einen und dann zur anderen Seite, es ist offensichtlich, dass er in dem Gewimmel noch immer nach ihr sucht. Sie verspürt den Drang, ihn gegen das Schubsen und Drängeln der anderen Kinder zu beschützen, so wie sie ihn vor den endlosen Streitereien zu Hause beschützt, vor dem traurigen Gesicht der Mutter und vor allem vor Steffens heftigen Wutausbrüchen, die die Wände der Wohnung noch viele Stunden danach erzittern lassen.
Gerade als Sofie hinunterlaufen will, bemerkt sie, dass ihr Bruder aus ihrem Gesichtsfeld verschwunden ist. Eine große Erleichterung erfasst sie. Was soll sie mit der ganzen Zeit anfangen?, denkt sie und kaut inbrünstig auf dem weichen Kaugummi mit Erdbeergeschmack, ihrer Lieblingssorte. Sie steckt die Hand in die Tasche, hält die Geldscheine gut fest. Sie hat jetzt Geld, mehr als ihre Freundinnen, und es ist leicht verdientes Geld. Niemand hat etwas gemerkt, es ist ihr Geheimnis. Ihrer beider Geheimnis. Sie bläst eine große Blase, die für einige Sekunden ihre Sicht verdeckt, bevor sie mit einem kleinen Knall zerplatzt.
Langsam steigt sie auf der anderen Seite des Grashügels hinab. Ein paar große Jungen spielen auf dem Rasen Volleyball, ihre Oberkörper sind nackt, und die Muskeln bewegen sich geschmeidig unter der sonnengebräunten Haut. Ein Stück entfernt entdeckt sie ihre Familie, ihre Mutter kniet im Gras und packt das Picknick aus, Steffen hantiert am Grill herum. Von hier aus wirkt er klein. Wenn er doch nur so klein wäre, wenn er Amok läuft. Dann könnte sie ihn mir nichts, dir nichts in der Hand zerdrücken, ganz platt quetschen. Der Gedanke bringt sie zum Lächeln.
»Hau ab.« Sofie bekommt einen Stoß in den Rücken und dreht sich um. Ein gleichaltriger Junge sieht sie trotzig an, und sie spürt die Wut vor ihren Augen aufflammen. Sie will ihre Ruhe haben, sie will nicht gestört werden. Der Junge drängt sich mit einem höhnischen Grinsen an ihr vorbei, und sie hat gute Lust, ihn auf den Rücken zu schlagen, aber sie tut es nicht. Sie traut sich nicht. Stattdessen ballt sie die Fäuste so fest, dass die Geldscheine in der Hand feucht werden, und wartet darauf, dass er abhaut.
Die Sonne knallt vom Himmel, groß und gelb. Sofie spürt, dass sie zu warm angezogen ist, der Schweiß läuft ihr den Nacken hinunter. Sie zieht den langärmligen Pullover aus, bindet ihn sich um die Taille. Darunter trägt sie ein dünnes, lila Trägerhemd mit Spitzenkante, ihr Lieblingsunterhemd. Sie sieht an sich herab, betrachtet den mageren Brustkorb und den Bauch, der leicht über den Rand ihrer Jeans hängt und ein wenig zu weich ist. Maria hat einen ganz flachen Bauch, ihr Nabel guckt wie eine runde, harte Kugel aus ihm hervor, sie hat Glück. Maria hat immer Glück. Sofie verweilt einen Moment beim Gedanken an ihre beste Freundin. Auf dem Schulhof laufen sie oft Arm in Arm herum, doch manchmal ignoriert Maria sie, und dann muss sie alleine umhergehen,
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