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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels
Autoren: Kay Cordes
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weit dahinter wirbelte ein Reiter Staub auf. Lienhart erkannte Priorin Agathe, eine alte Nonne und den Hegemeister.
    «Babur ist zurück!», rief er atemlos.
    «Wie schön. Und das nächste Mal will ich vorher ein ehrerbietiges guten Morgen hören, Lienhart. Mein Bruder und ich müssen jetzt zum Vogt. Warte mit deinem Hund in Detwang. Lass dir etwas zu essen geben.»
    Schon fuhr der Kutschenwagen weiter. Babur war längst nicht mehr zu sehen, zum Glück aber noch zu hören. Sie ist eingebildet, eine richtig blöde Gans   … sie gehört nackt in einen Ameisenhaufen gesteckt, ärgerte sich Lienhart.
    «Ritter Ulrich!»
    «In Detwang, Lienhart! Detwang!»
    Schon war er vorbei. Lienhart schluckte. Sein Mund war trocken, und er schmeckte Staub. Verdattert guckte er Ulrich hinterher, und als er sich umschaute, war Babur verschwunden.
     
    Ulrich stieg vor Jacob Aufreiters Haus ab. Der Türklopfer krachte auf den Stift: dreimal, viermal, fünfmal. Ulrich lauschte, seine Hand ruhte auf dem Griff seines Rapiers. Mit jeder Sekunde, die verging, wuchs seine Anspannung, stieg aber auch seine Hoffnung.
    Endlich hörte er Schritte im Haus.
    Herr, bitte lass ihn nicht da sein! Lass uns recht behalten!
    Ulrich hielt den Atem an. Er starrte auf den Türspion, dessen blinde Schwärze sich nach geraumer Weile für einen Augenblick aufhellte.
    «Ihr wünscht?», erklang eine so zittrige wie rostige Stimme.
    «Ich bin Ulrich von Detwang und möchte deinen Herrn sprechen.»
    Ein Schlüsselbund klirrte, die Tür wurde aufgezogen.
    Ulrich prallte zurück, er starrte in das verweinte Gesicht seines alten Dieners Gustav. Er stank unangenehm süß-säuerlich und hielt ein Taschentuch in der Hand, sein weißes, fleckiges Hemd hing ihm halb aus der an den Schenkelinnenseiten dunkelfeuchten Hose. «Ich soll hier auf ihn warten», stammelte er leise. «Er ist fort.»
    «Wo ist er hin, Gustav?»
    Ulrich sprach langsam und beherrscht. Dabei klopfte ihm das Herz bis zum Hals, und er hatte das Gefühl, er würde von Tausenden von Ameisen gleichzeitig gebissen.
    Sein Diener sah an ihm herunter, starrte entsetzt auf sein Rapier. Kaum dass Ulrich bemerkte, wie die dunklen Flecken an Gustavs Hose noch breiter wurden, da ging sein Diener vor ihm in die Knie und wollte sich flach vor ihn hinwerfen. Ulrich beugte sich zu ihm nieder und fasste ihn unter die Achseln. Mühsam hob Gustav seinen Kopf, wobei seine Zähne heftig aufeinanderschlugen.
    «Wo er ist? Ich weiß es wirklich nicht, Herr. Gestern kam er kurz vor Torschluss wieder. Und war heute früh der Erste. Ich glaube, er hat alles Geld mitgenommen.»
    «Weißt du etwas von Marie?»
    Gustav schüttelte den Kopf. «Nein. Das schwöre ich, Herr.» Gelbbraun tropfte es aus dem Schritt seiner Hose.
    Angeekelt wandte sich Ulrich ab. Genugtuung und Rachegelüste rangen in seiner Brust miteinander. Doch dann meldete sich aus der Tiefe seines Herzens eine Stimme: Helfen, Wehren, Heilen. Das ist der Wahlspruch deines Ordens. Und wenn du besser sein willst als die anderen, dann halte dich daran.
    «Sag im Spital, ich hätte dich geschickt. Und wenn du gesund bist, komm zurück.» Er schwang sich wieder in den Sattel und gab Raban die Sporen.
     
    Die heiße, stickige Luft in der Arreststube des Rathauses war zum Schneiden. Hanna fühlte die Stäbe der durchgelegenen Pritsche gegen ihre Hüfte drücken. Sie hatte Kopfschmerzen und einen üblen Geschmack im Mund. Immer wieder fuhr sie sich mit der Zunge über ihre spröden, brennenden Lippen, von Minute zu Minute wurde ihr flauer.
    Gleich muss ich mich übergeben, dachte sie. Warum bloß musste alles so weit kommen?
    Vorsichtig setzte sie sich auf und wandte den Kopf. Da fiel es ihr wieder ein: Im Lichtschacht hinter ihr verweste eine Katze. Entweder hatte es noch niemand bemerkt, oder es war allen egal.
    Wie schön ist es doch im Weibersturm, dachte sie. Ob ich heute wohl wieder dorthin gebracht werde? Geschoren, glatt wie eine Nacktschnecke?
    Ulrich, verzeih mir! Ich weiß auch nicht, was über mich gekommen ist. Ich weiß es nicht.
    Tränen stiegen ihr in die Augen. Was aber war schlimmer, was wog schwerer? Der Verlust seiner Liebe, oder wenn Marie etwas angetan worden wäre?
    Hanna lauschte in sich hinein, doch da erschallten auf einmal Schritte und Stimmen auf dem Gang.
    «Ulrich!»
    «Hanna!»
    Die Tür ging auf, er riss sie an sich.
    Es ist ein Traum, dachte sie. Es ist nicht wirklich. Doch die Arme hielten sie fest. Und die Stimmen waren so diesseitig
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