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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels
Autoren: Kay Cordes
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der Borke kratzte. Mal presste sie sich mit dem Rücken an den Stamm, mal umarmte sie ihn und kostete vom gallebitteren Eichenstaub.
    Langsam ging sie um den Stamm herum. Als sie ihn umrundet hatte, entdeckte sie Ulrich und Marie, die langsam auf die Lichtung zuschlenderten. Ulrich hatte schützend seinen Mantel um Marie gelegt.
    Hanna ging ihnen ein Stück weit entgegen, verharrte dann im Bannkreis der Eichenkrone und betrachtete nachdenklich ihre kleine Schwester, die, seit sie sich von Arndt verabschiedet hatte, deutlich gereift war. Langsam ließ Hanna noch einmal das, was ihr Marie erzählt hatte, vor ihrem geistigen Auge vorüberziehen. Marie war auf Arndts inständige Bitten mit ihm und Valentin bis zur Hegegrenze gezogen, nicht zuletzt, weil sie solche Angst vor der Anhörung gehabt hatte. Babur aber hatte immer wieder versucht, sie davon abzubringen, ihr schließlich in seiner Wut ein Stück Stoff aus ihrem Kittelkleid gerissen. Blutgetränkt war es, weil ein Bauer ein Huhn geköpft hatte: «Arndt und Valentin hatten doch solchen Hunger. Da hab ich eben eins für sie gekauft.»
    Schließlich hatte sie sich allein auf den Rückweg gemacht. Um sich vor der Mittagshitze zu schützen, hatte sie sich in die Bettwarer Kirche geflüchtet und war dort eingeschlafen. Hanna lächelte: Sie alle hatten die Zeichen des blutgetränkten Kittelstücks gründlich missverstanden. Jacob Aufreiter hatte Marie nie in seiner Gewalt gehabt, doch er, der sie, Hanna, zur Hexe hatte machen wollen, hatte an dieses blutige Zeichen geglaubt. Als er dann noch die Male wiedererkannt hatte, musste er wirklich überzeugt gewesen sein, sie sei Barbaras Wiedergängerin.
    «Ich möchte auch noch einmal unter diesen Mantel.»
    «Das wirst du ab heute Mittag doch jeden Tag sein.»
    Unbeschwerten Herzens trat Hanna aus dem Bannkreis der Krone. Die Eiche schwieg, sie blieb nichts als eine alte schöne Eiche, deren Laub sich golden gefärbt hatte.
    Ulrich streckte huldvoll seinen Arm aus, Marie schaute zu ihm auf, kicherte. Knisternd legte sich der Mantel um die beiden Schwestern. Hanna schloss die Augen. Ich werde keine Gesichte mehr bekommen, dachte sie, es ist vorbei. Und dann begann Ulrich zu singen: «Te Deum laudamus   … Dich, Gott, loben wir, dich, Herr, preisen wir. Dir, dem ewigen Vater, huldigt das Erdenrund   …»

Informationen zum Buch
    Göttliche Gabe oder Teufelswerk?
     
    Rothenburg ob der Tauber, 1524: Um der Ehe mit einem reichen Widerling zu entgehen, flieht die junge Köhlerin Hanna – und gerät in die Wirren der Bauernaufstände. Immer öfter wird das sensible Mädchen von Visionen heimgesucht, die sich später als wahr erweisen. Als man einen Hexenprozess gegen sie anstrengt, scheint ihre Lage aussichtslos. Oder kann der junge Ordensritter Ulrich sie retten?
     

Informationen zum Autor
    Kay Cordes, geboren 1960, hat Musikwissenschaften in Tübingen studiert und darin auch promoviert. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Nähe von Lüneburg.
     
    Weitere Veröffentlichung:
    Die Tochter des Hexenmeisters
     

Impressum
    Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2010
    Copyright © 2010 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
    Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages
    Umschlaggestaltung any.way, Barbara Hanke/​Cordula Schmidt
    (Foto: any.way, Barbara Hanke; Summerfield Press/​Corbis; Alinari)
    Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved. Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.
    Konvertierung Zentrale Medien, Bochum
    ISBN Buchausgabe 978   -   3   -   499   -   24734   -   7 (1.   Auflage 2010)
    ISBN Digitalbuch 978   -   3   -   644   -   42211   -   7
    www.rowohlt-digitalbuch.de
     
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