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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels
Autoren: Kay Cordes
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er es wieder: das tiefe, grollende Bellen Baburs.
    «Himmel, Mama, warum hast du mich nicht eher geweckt? Ich soll doch mit Babur sofort zu Ritter Ulrich kommen! Bestimmt hat er Marie gefunden.»
    «Langsam. Weißt du, wie früh es ist? Dein Vater liegt noch im Bett. Die Stadttore sind gerade erst aufgemacht worden. Und bevor du nicht gefrühstückt hast, gehst du nirgendwo hin.»
    «Aber Babur   …»
    «Ich lass ihn herein. Und dann ist es erst einmal gut.»
    Lienhart seufzte. Wenn seine Mutter derart entschieden klang, musste er sich fügen. Er hockte sich auf seinen halbvollen Nachttopf, hörte, wie Babur hechelnd ins Haus kam und sich von seiner Mutter das Fell kraulen ließ. Beruhigend sprach sie auf ihn ein und klopfte ihm die Flanke. Lienhart schlüpfte in Hemd und Hose und kletterte die Stiege hinab. Babur schlabberte Wasser, vom Markt her erklang das Stundenschlagen von St.   Jakob.
    Fünf Uhr, seufzte Lienhart und gähnte ausgiebig. Seine Mutter hatte schon das Frühstück fertig und legte ihm gerade zwei dicke Scheiben dunkles Körnerbrot mit Schmalz an seinen Platz.
    «Sei sparsam mit dem Salz. Wenn’s mal nur so billig wäre wie all diese hübschen Wollkletten. Baburs Fell ist voll davon.» Lienharts Mutter hockte sich neben ihn und zupfte die Kletten aus dem Fell.
    «Warum ist Salz eigentlich so teuer?»
    «Weil es jeder braucht.»
    Lienhart biss ins Brot und schaute Babur zu, der den Rest Grütze vom Vorabend fraß. Seine Mutter hatte die Lust am Klettenzupfen verloren und war wieder in die Küche gegangen.
    «Es müsste einer einmal etwas anderes zu trinken erfinden», sagte er, als ihm seine Mutter einen Becher mit lauwarmem Hagebuttentee hinstellte. «Immer nur Wasser, Milch, Tee oder Wein und Bier. Auf die Dauer wird das langweilig.»
    «Zieh hinaus in die Welt. Vielleicht findest du ja was anderes.»
    «Schön. Aber nur mit Marie und Babur.»
    Lienhart griff ins Salzfässchen und bestreute sich auch die andere Scheibe Schmalzbrot. Was Marie jetzt wohl isst?, fragte er sich. Bekommt sie überhaupt etwas? Vielleicht schläft sie ja auch noch. Irgendwo in einem finsteren Loch und dann noch nackig. Hoffentlich hat sie wenigstens ein Fell zum Draufliegen. Er spürte, wie die Unruhe zurückkam. Babur röchelte leise, während er mit Behagen den Napf mit der Grütze ausleckte. Wenn ein anderer ihn jetzt stören würde, Babur würde wohl sofort zubeißen, überlegte Lienhart. Er kann ja ganz schön wild sein. Ob er jemals auf mich oder Marie losgehen würde?
    Lienhart nahm einen letzten Schluck Tee, wartete. Endlich war Babur fertig und der Napf blitzblank geleckt. Anschließend stemmte er die Vorderläufe gerade nach vorn und spannte seinen Leib. Blitzschnell schnappte er nach einer Fliege, jaulte auf, weil er sie verfehlt hatte, und trottetelangsam in der Stube herum. Alles wurde beschnüffelt. Als er auf die angelehnte Tür zur Schlafstube zusteuerte, stand Lienhart auf.
    «Bloß nicht. Sonst gibt’s Ärger, und du bekommst nie mehr was zu fressen.»
    Lienhart fasste Babur am Halsband und zerrte ihn zur Tür. Golden lag die frühe Sonne auf den gegenüberliegenden Hausfassaden, wieder kündigte sich ein heißer Sommertag an.
    Babur lief in Richtung Galgengasse, hob an der Kreuzung das Bein und schaute dann zum Galgentor. «Nein, wir müssen zum Klingentor. Nach Detwang, zu Ritter Ulrich, verstehst du? Marie suchen.» Babur hob den Kopf. Aufmerksam schaute er Lienhart an. «Ja, Marie. Wo ist sie? Weißt du es?»
    Es war, als ginge ein Ruck durch den Hund. Von einem Augenblick auf den anderen war er wie ausgewechselt, er sprang um Lienhart herum und bellte. Mit wenigen Sätzen war er vor dem Galgentor.
    Lienhart ballte die Faust. Nicht das jetzt, kein Machtkampf! Er versuchte, Babur am Halsband zu packen, aber der ließ sich nicht mehr fangen. Lienhart blieb nichts anderes übrig, als Babur durch das Galgentor zu folgen.
    Doch kaum waren sie vor der Stadt, rannte Babur zurück. Lienhart fluchte, aber dann ging alles gut. Als habe Babur begriffen, dass Tor doch nicht gleich Tor ist, rannte er die Galgengasse hinunter und bog schließlich in die Schrannengasse ein.
    Jetzt lächelte Lienhart und begann ihm hinterherzulaufen. Noch war kaum jemand auf den Beinen. Die Uhr schlug dreiviertel. Ein Viertelstündchen später hatten sie bereits das Klingentor passiert.
    Lienhart ging langsam die Puste aus. In Detwang bin ich tot. «Babur, warte doch mal!»
    Ein offener Kutschenwagen rollte heran, ein Stück
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