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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels
Autoren: Kay Cordes
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wie die einzelnen Gesichter, die sie nach und nach erkannte – das hochmütig strenge von Agathe, das runzlige von Schwester Mathilde und das glattrasierte, grinsende von Vogt Heinrich Trüb.
    «Ihr seid frei, Hanna Burmeister», hörte sie ihn sagen.
    Aber ich heiße doch Völz, dachte sie erschrocken. Dannträume ich also   … ich träume. Hanna spürte, wie ihr vor Enttäuschung die Tränen in die Augen stiegen.
     
    Lienhart konnte nur noch taumeln, so entkräftet war er. Ihm glühte der Kopf, und sein Gesicht war schweißüberströmt. Die Zunge klebte ihm am Gaumen, und der Hals tat vom Sommerstaub so weh, dass er kaum mehr schlucken konnte. Wenn er sich trotzdem noch einmal zusammenriss und ein paar Schritte rannte, bekam er sofort Seitenstechen.
    «Du Mistviech   … Schwein, du   …» Als er die Linde erreicht hatte, sackte er in die Knie. Er rieb sich den Schweiß von der Stirn und beschloss endgültig, keinen Schritt weiterzulaufen. Mochte Babur bellen, so viel er wollte. «Du räudiges Aas, keinen Schritt geh ich mehr!» Lienhart legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Als er wieder zu Kräften gekommen war, schaute er sich um: Rechter Hand lag ein Haferfeld, links, dort wo Erlen, Hasel und Weiden standen, musste die Tauber fließen. Und was liegt vor mir?, fragte er sich. Eigentlich kann es nur Steinbach sein. An Detwang jedenfalls bin ich längst vorbei.
    «Und daran bist du schuld, du Kröte», rief er giftig und warf kraftlos einen Stein nach Babur, der irgendwo durchs Feld streifte – in der Hoffnung, doch noch das Kaninchen zu schnappen, das ihm kurz vor Detwang über den Weg gejagt war. «Du mit deiner Viechnase! Marie sollst du finden, du Affenkopf, und nicht jagen!»
    Er lehnte sich an die Linde, die an dieser Stelle den Feldweg beschattete. Lienhart wusste, dass der Weg parallel zum Fahr- und Reitweg verlief, der die Tauberdörfer miteinander verband.
    Aber das, dachte er, ist jetzt auch egal. Bleibt ja doch alles an mir hängen. Ritter Ulrich wird ganz schön wütendsein. Er muss denken, ich bin dumm wie Stroh, wenn ich nicht einmal mit einem Hund weggehen kann. Statt auf den Hof zu laufen, bin ich Babur hinterhergerannt, hätte ja sein können, dass ich ihn doch noch am Halsband erwische. Aber immer war er schneller   … und ich so verrückt, ihm auf seiner Kaninchenjagd zu folgen.
    Er pflückte die Ähren von einer Haferrispe, biss hinein und spuckte sie wieder aus. Eine Wespe flog so dicht vor ihm, dass er den Luftzug ihrer Flügel an der Lippe spürte. Als sie fortflog, hörte er, wie Babur fiepend näher kam.
    Lienhart schüttelte den Kopf: nicht mit mir. Stur schaute er geradeaus.
    Babur sah ihn von der Seite an, seine Augen leuchteten. Er schien zu grinsen, und als wollte er Lienhart ärgern, reckte er die Schnauze in die Luft und tat, als würde er gerade neu Witterung aufnehmen. Doch dann winselte er verdrossen auf und legte sich neben ihn in den Schatten.
    Es war still, bis auf sein Hecheln und das Summen der Insekten.
    Langsam wandte Lienhart den Kopf: Baburs Fell war voller Haferrispen, und an seiner Brust hingen mehrere Kletten.
    Glaub bloß nicht, ich putz dir jetzt das Fell.
    «Und jetzt? Zurück nach Detwang?» Er erhob sich und ging weiter. Nach einer Weile sah er, dass der Feldweg einen Bogen beschrieb und auf die Straße nach Steinbach zuführte.
    Babur trottete ihm mit hängendem Kopf hinterher. Es war noch nicht Mittag, aber die Sonne brannte vom Himmel, als wollte sie die Erde rösten. Zum Glück wehte ein leichter Wind, sonst wäre es unerträglich gewesen.
    Als sie die Straße erreicht hatten, sah er, wie sich ein Kutschenwagen näherte. Lienhart schluckte, gleichzeitigwar er froh. Sollte Ulrich ihn ohrfeigen, Hauptsache, er musste nicht mehr laufen.
    Er hob den Arm und winkte. Babur bellte, rannte ein Stück vor und dann wieder zurück.
    Lienharts Herz tat einen Sprung: Neben Ulrich saß Hanna, hinter ihnen Katharina von Detwang und der Hegemeister. Klirrend und ächzend kam der Kutschenwagen vor ihm zum Stehen.
    «Hatten wir nicht Detwang ausgemacht?», rief Ulrich.
    «Er ist mir durchgegangen. Ein Kaninchen   … aber Hanna, Ritter, sie ist frei?»
    «Wie du siehst.»
    «Woher habt Ihr gewusst, dass Babur und ich   …»
    «Man hat euch gesehen. Nun komm, steig ein.»
    «Und Marie?»
    «Wir haben in Detwang noch ein paar Kleidungsstücke von ihr. Babur hat ja eine sehr feine Nase, und wenn wir ihm immer wieder etwas zu riechen geben, dann könnte
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