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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels
Autoren: Kay Cordes
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setzte er die Flasche an und trank sie aus. Dabei musterte er seinen Herrn und hielt ihm die Laterne hin. Ulrich ergriff sie, dann stapfte er kopfschüttelnd ins Haus. Es heißt ja, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, dachte er, aber gilt dies auch umgekehrt? Man soll den Tag nicht vor dem Abend verdammen?
    Er trat in den Rittersaal. Im Kamin brannte ein Feuer, um den Tisch herum saßen all diejenigen, die Hanna entlasten wollten. Bis auf Katharina und Agathe hatten alle vom Wein gerötete Gesichter.
    Ulrich fing den Blick seiner Mutter auf, er schüttelte den Kopf. Katharina nickte, doch schien sie kaum anderes erwartet zu haben. «Wie schön, dass du endlich kommst. Wir warten seit Stunden.»
    «Wenn mir jetzt nicht gleich einer von euch erzählt   …»
    Bernward erhob sich von seinem Stuhl. Er strahlte übers ganze Gesicht, während er gemessenen Schritts auf Ulrich zuging: «Alles kommt einmal ans Licht, Ulrich. Keine Sünde bleibt unentdeckt. So höre also: Hanna Völz heißt in Wahrheit Hanna Burmeister. Sie ist meine Tochter.» Er wartete ein Weilchen, doch Ulrich brachte keinen Ton über die Lippen. Bernward schob ihm einen Stuhl hin, und während Ulrich sich setzte, fuhr er fort: «Hannas Flecken, ihre Male haben es ans Licht gebracht. Ich habe die gleichen an genau derselben Stelle.»
    «Das ist wahr, bei Gott», flüsterte Ursula.
    Magdalena begann zu kichern, Agathe kniff empört die Lippen zusammen.
    «Und deswegen heißt Hanna jetzt Burmeister. Sehrüberzeugend.» Ulrich hob den Kopf. Was denkt er sich?, fragte er sich. Ist er von Sinnen? Sind hier alle toll? Er spürte, wie die Wut in ihm emporkroch. Es fehlte nicht viel, und er hätte losgeschrien, man solle ihn gefälligst allein lassen.
    «Ihr glaubt ihm nicht, Ritter von Detwang?» Schwester Mathilde hatte das Wort ergriffen. «Das könnt Ihr aber. Weil ich es nämlich bezeugen kann.» Es wurde still, bis auf das Knistern des Scheits im Kamin. Ulrichs Wut flaute ab. Neugierig sah er die alte Dominikanerin an. «Einst, als ich noch Pfortenschwester war, klopfte eine Köhlerin bei uns an. Sie war im Spital von Zwillingen entbunden worden, Mädchen. Sie war zerknirscht, wollte sich aussprechen. Ich wollte sie fortschicken, aber sie bestand darauf, dass ich sie anhöre. Nun, ich gab nach. Ich erfuhr, dass die Kinder nicht von ihrem Mann wären, die Male, die sie trügen, verrieten es. Sie beichtete alles: ihren Fehltritt im Wald mit einem Hegereiter, den sie am Karrachgraben traf. Er kühlte einen Wespenstich, man kam ins Gespräch, fühlte sich währenddessen zueinander hingezogen. Was soll schon geschehen, dachte die Köhlerin, ich bin verheiratet, mein Mann wird nichts merken   … so müde, wie er immer von der Köhlerei ist.»
    «Ich sah diese Frau nie wieder», spann Bernward den Faden weiter. «Ich vergaß sie und bildete mir mit den Jahren ein, ich hätte alles nur geträumt. Dann begegnete ich Hanna auf dem Kobolzeller Steig. Und es war, als würde eine Stimme zu mir sagen: Pass auf sie auf. Ist es nicht seltsam? Es heißt, Muttermale entstünden, wenn eine Frau während ihrer Schwangerschaft unbefriedigte Gelüste habe.»
    «Jaja, das erfinden immer Männer», fuhr Schwester Mathilde dazwischen. «Aber nun hört auch noch den Rest, Ritter Ulrich. Ich sprach ja von Zwillingen. Kurzum, miteinem Mädchen kehrte die Köhlerin zu ihrem Mann zurück. Das ist Eure Hanna. Das andere   …»
    «…   war Barbara. Jetzt verstehe ich.» Ulrich konnte nur flüstern. «Meine erste Liebe, die in Steinbach bei Jacob Aufreiters Schwiegereltern aufwuchs. Aber sie ertrank in der Tauber.» Er schwieg und begann am ganzen Körper zu beben. Aufstöhnend schlug er sich die geballten Fäuste gegen die Stirn. «Ist es denn wahr? Kann es das geben? Dass ich mit Hanna die Frau wiedergeschenkt bekommen habe, die ich einst als Mädchen so liebte?» Er hatte Tränen in den Augen, schüttelte immer wieder den Kopf.
    Bernward reichte ihm ein Glas Wein, das Ulrich in einem Zug leertrank. Darauf erhob er sich und umarmte Bernward. Eine ganze Weile standen die Männer so da und sahen sich an. Dann aber brach Ursula die Stille, indem sie fragte: «Und was hat Hanna jetzt davon?»
    «Erst einmal ist sie jetzt die Tochter eines Rothenburger Bürgers», warf Bernward ein.
    «Was so oder so gut ist.» Agathe erhob sich, Ulrich warf ihr einen misstrauischen Blick zu. «Nein, was besser ist. Schließlich ist es kein Geheimnis, wie ich über die Verbindung eines Ritters
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